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Aus: Ausgabe vom 18.09.2024, Seite 8 / Ansichten

Großspurige Vorhaben

Von Jörg Kronauer
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Olaf Scholz mit Kassym-Schomart Tokajew, Präsident Kasachstans, auf dem »Deutschland-Zentralasien-Gipfel« (Astana, 17.9.2024)

Es gibt wenig Neues unter der immer trüberen Sonne. Zumindest, soweit es die deutsche Außenpolitik betrifft. Die Beziehungen zu den fünf Staaten Zentralasiens ausbauen, um Zugriff auf die Rohstoffe dort zu bekommen und zugleich den Einfluss Russlands und Chinas zu schwächen – den Plan verfolgte die Bundesregierung bereits im Jahr 2007, als sie die Verabschiedung einer EU-Zentralasienstrategie durchsetzte. Im Jahr 2012 folgte die Einigung mit Kasachstan auf eine sogenannte Rohstoffpartnerschaft. 2018 legte die EU, erneut auf deutsche Initiative, mit ihrer »Konnektivitätsstrategie« nach, um per Ausbau der Verkehrsinfrastruktur die Anbindung Zentralasiens an Europa zu stärken. Das Resultat der fleißig produzierten Pläne? Viel heiße Luft. Solange die Denker nur selbstverliebt dichten, passiert halt nicht viel. Der beste Beleg für das Scheitern der großspurigen Vorhaben ist, dass Berlin nun einen nächsten Anlauf gestartet hat – mit Zentralasiengipfeln, zu deren zweitem der Bundeskanzler am Dienstag in Astana weilte.

Ob daraus mehr wird als die landesübliche Ladung hehrer Absichtserklärungen und hohler Reden? Der Druck ist inzwischen deutlich gestiegen. Auch in Berlin weiß man: Wenn der Westen China weiterhin mit Strafzöllen, Sanktionen und anderen Aggressionen malträtiert, kann man kaum sicher sein, von der Volksrepublik auch in Zukunft verlässlich mit wichtigen Rohstoffen bedient zu werden. Alternative Quellen müssen also her. Zugleich lassen die Staaten Zentralasiens recht klar erkennen, dass sie intensivere Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland wünschen – freilich nicht, um eine Abwendung von Russland zu ermöglichen, sondern als Ergänzung, um nicht allzu sehr von Russland und China abhängig zu sein.

Neu ist bloß, dass die Bundesregierung mit einem Land Zentralasiens in Sachen Migration zu kooperieren beginnt – mit Usbekistan. Der simple Plan lautet, bestens ausgebildete Usbeken ins Land zu holen, um billige Arbeitskraft zu erhalten, zugleich aber Flüchtlinge, die man erst kostspielig ausbilden müsste, nach Usbekistan abzuschieben. Fertiges Humankapital rein, ökonomisch kaum verwertbare Ausländer raus – das ist die neue deutsche Menschenrechts-, Pardon: Migrationspolitik. Nebenbei: Nach Usbekistan abgeschoben werden sollen vor allem Afghanen, die Usbekistan dann seinerseits in ihr völlig zerrüttetes Herkunftsland entsorgen will. Das erspart es Berlin, sich durch Kontakte zu den Taliban die Finger schmutzig zu machen: Bekanntlich ist die Bundesregierung ja Menschenrechtsvorkämpferin.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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