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Aus: Ausgabe vom 20.09.2024, Seite 4 / Inland
Rüstungsexporte an Israel

Aus Furcht vor Repressalien

Bundesregierung stoppt Ausfuhr von Kriegswaffen nach Israel. Ampel dementiert allgemeinen Genehmigungsstopp von Rüstungsexporten
Von Jamal Iqrith
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Berlin hat 2023 Kriegswaffen im großen Stil an Israel geliefert (Rheinmetall-Werk in Unterlüß, 6.6.2023)

Die Bundesregierung hat neue Exporte von Kriegswaffen nach Israel gestoppt – offenbar aus Angst vor juristischen Konsequenzen. Daneben hat das Volumen von anderen Rüstungsexporten drastisch abgenommen. Das geht aus einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters vom Mittwoch hervor. Zahlen aus dem Bundeswirtschaftsministerium belegen, dass es seit März 2024 keine Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen an Israel mehr gegeben hat, wie dpa am Donnerstag berichtete.

Die Bundesregierung dementierte indes einen generellen Genehmigungsstopp für Rüstungsexporte nach Israel. »Es gibt kein deutsches Exportverbot für Waffen nach Israel«, so Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch abend. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte, es gebe »keinen Genehmigungsstopp für Rüstungsexporte nach Israel, und es wird auch keinen Stopp geben«. Bei Reuters war weder von einem »Exportverbot« noch von einem allgemeinen Stopp von Rüstungsexporten die Rede.

In einer am Mittwoch veröffentlichten Recherche hatte die Nachrichtenagentur eine Quelle aus dem Umfeld des Ministeriums zitiert, nach der ein hochrangiger Regierungsbeamter erklärt habe, dass die Arbeit an der Genehmigung von Exportlizenzen für Waffen nach Israel aufgrund des »rechtlichen und politischen Drucks von Gerichtsverfahren eingestellt worden sei«. In den betreffenden Verfahren wurde demnach argumentiert, dass solche Exporte aus Deutschland gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen. Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag hatte Berlin in der Vergangenheit erklärt, dass seit den Hamas-Angriffen auf Israel am 7. Oktober keine Kriegswaffen mit einer Lizenz exportiert worden seien – abgesehen von Ersatzteilen für langfristige Verträge sowie Munition zu »Trainingszwecken«.

Im laufenden Jahr sind die Genehmigungen von Rüstungsexporten an Israel von Januar bis zum 21. August von 326,5 Millionen Euro (2023) auf 14,5 Millionen Euro gesunken, wovon 32.449 Euro auf die Kategorie Kriegswaffen entfielen – gegenüber 20 Millionen Euro 2023. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der BSW-Bundestagsgruppe hervor. Die Genehmigungen für den Export von Kriegswaffen stammen laut dpa aus dem Januar und Februar. Im Jahr 2023 hatten deutsche Rüstungsexporte nach Israel sich um das Zehnfache erhöht, die meisten der Genehmigungen waren nach dem 7. Oktober erteilt worden.

Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte am Mittwoch dazu: »Über die Erteilung von Genehmigungen für Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen nach den rechtlichen und politischen Vorgaben.« Erst vergangene Woche hatte das Verwaltungsgericht (VG) Frankfurt am Main einen im Juli eingereichten Eilantrag von fünf Palästinensern aus Gaza gegen Ausfuhrgenehmigungen von deutschen Waffen wegen völkerrechtlicher Verstöße abgelehnt. Zur Begründung verwies das VG auf die mangelnde »obligatorische internationale Gerichtsbarkeit« des Völkerrechts, wie das Fachportal Legal Tribune Online am Dienstag berichtete.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) äußerte sich laut dpa bei einem Bürgerdialog der Neuen Osnabrücker Zeitung am Mittwoch zu dem Thema. Aus seiner Sicht müsse man genauer hinschauen. Waffensysteme, die zur »Verteidigung der Existenz Israels notwendig« seien, sollten nach wie vor schnell genehmigt werden. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte bereits im Podcast »Lage der Nation« vom 11. September erklärt, es habe mit »mit Blick auf Waffenexporte (…) keine Waffenexporte nach dem 7. Oktober gegeben, die in Gaza eingesetzt werden können und die dort Völkerrechtsbruch begehen«.

Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (BSW) kritisierte den anhaltenden Export von Komponenten für die Herstellung von Kriegswaffen. Diese würden benötigt, um »die Kriegsmaschinerie am Laufen zu halten«. Um das »Töten in Gaza zu beenden«, müsse die Ampel ihre »Rüstungsexporte an die in Teilen rechtsextreme Regierung Netanjahu komplett stoppen«, schrieb Dagdelen am Donnerstag beim Kurznachrichtendienst X.

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