Pager-Explosionen: Tausende Verletzte und mehrere Tote im Libanon
Beirut/Tel Aviv. Bei mutmaßlich koordinierten Explosionen zahlreicher tragbarer Funkempfänger – sogenannter Pager – sind im Libanon rund 2.750 Menschen verletzt und mindestens acht Menschen getötet worden. Der Zustand von rund 200 Verletzten sei kritisch, erklärte der libanesische Gesundheitsminister Firas Abiad in der Hauptstadt Beirut. Die Hisbollah machte Israel für die Explosionen der Pager verantwortlich und kündigte Vergeltung an. Unter den Verletzten sollen viele Hisbollah-Angehörige sein, darunter hochrangige Mitglieder, wie eine der Miliz nahestehende Quelle bestätigte.
Die Vereinten Nationen zeigten sich über die Entwicklungen im Libanon äußerst besorgt. Man bedauere die zivilen Opfer, sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric. Es bestehe das Risiko einer Eskalation im Libanon. Die Lage sei extrem volatil.
Im Raum stand am Abend die Vermutung, dass Israel die Geräte als Angriff auf Hisbollah-Kämpfer gezielt zur Explosion gebracht haben könnte. Israels Armee kommentierte die Vorfälle zunächst nicht. Der israelische Sender Kan berichtete, Militär und Verteidigungsministerium gingen davon aus, dass die Hisbollah mit einem Militäreinsatz gegen Israel reagieren werde. Es gebe dazu gegenwärtig Beratungen im Militärhauptquartier in Tel Aviv.
Das Wall Street Journal berichtete, die Pager stammten aus einer Lieferung, die die Hisbollah erst kürzlich erhalten habe. Ein Hisbollah-Vertreter äußerte demnach die Vermutung, die Geräte seien mit Schadsoftware versehen gewesen, die zu einer Überhitzung und zur Explosion geführt hätten. In Videos von Überwachungskameras im Libanon war zu sehen, wie es etwa in Supermärkten zu kleineren Explosionen kam. Teils lagen Menschen danach am Boden.
Augenzeugen berichteten von Panik in den Straßen Beiruts. Zahlreiche Krankenwagen waren im Einsatz. Das Gesundheitsministerium rief alle Krankenhäuser zu höchster Alarmbereitschaft und die Bürger zu Blutspenden auf. Auch der iranische Botschafter im Libanon, Modschtaba Amani, soll Medienberichten zufolge bei der Explosion eines Pagers verletzt worden sein. Dieser habe einem Leibwächter gehört, berichtete die iranische Nachrichtenagentur Tasnim.
Zuletzt mehrten sich die Anzeichen dafür, dass die israelische Regierung auf einen offenen Krieg mit der Hisbollah hinarbeitet. Der einzige Weg zu einer Rückkehr aus dem Norden geflüchteter Israelis sei »ein militärischer Einsatz«, sagte Israels Verteidigungsminister Joav Galant am Montag nach Angaben seines Büros. Die Möglichkeit einer diplomatischen Lösung im Konflikt mit der Hisbollah rücke immer weiter in die Ferne, weil die Miliz ihr Schicksal mit der Hamas im Gazastreifen verbunden habe und sich weigere, den Konflikt zu beenden, sagte er demnach. Die Hisbollah sieht sich derweil auf »jegliches Szenario« vorbereitet, wie es aus informierten Kreisen hieß. Viele Beobachter gehen davon aus, dass es in naher Zukunft zu größeren militärischen Zusammenstößen zwischen Israel und der Hisbollah kommen könnte.
Das mögliche Ausmaß der Konfrontation sei jedoch unklar, sagte Riad Kahwaji, Direktor des »Institute for Near East and Gulf Military Analysis«, gegenüber dpa. Auch innerhalb der israelischen Regierung gebe es dazu verschiedene Meinungen. Die israelische Zeitung Jerusalem Post meldete unter Berufung auf politische und militärische Kreise derweil, Israel sei einem umfassenden Krieg mit der Hisbollah näher als je zuvor. Ein großangelegter Krieg sei für alle Seiten aber weiter riskant. (dpa/Reuters/jW)
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