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Aus: Ausgabe vom 09.10.2024, Seite 8 / Inland
Rassistische Kontrollen

»Die Polizei löst keine Probleme«

Hamburg: Über den »alltäglichen Ausnahmezustand« in St. Pauli. Ein Gespräch mit Josefine Schulte
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Auch in der Hamburger Hafenstraße feiern jedes Jahr Muslime mit Freunden das Ende des Fastenmonats Ramadan (2.5.2022)

Vor kurzem hat das Amtsgericht bestätigt, dass der polizeiliche Einsatz im »Buttclub« am 10. April dieses Jahres rechtswidrig war. Wie kam es zu dem Polizeieinsatz?

Der Einsatz ereignete sich, während gerade die Vorbereitung zum Eid Al-Fitr im vollen Gange waren. Das muslimische Fest wird nun schon seit einigen Jahren in der Hafenstraße gefeiert. Dieses Jahr war das anders, weil Zivilpolizisten zunächst einen Gast ohne Angabe von Gründen gewaltsam festnahmen, weitere Gäste mit Pfefferspray bedrohten und schubsten. Anschließend brach die Polizei mit einer Ramme die Tür zum »Buttclub« auf und durchsuchte die Räumlichkeiten. Eine Person, die sich zu dieser Zeit dort befand, wurde über Stunden hinweg mit Handschellen gefesselt.

Warum führt ein friedliches Nachbarschaftsfest zu einem derart gewaltsamen Einsatz?

Die Polizei begründet den Einsatz nachträglich mit der Bekämpfung des illegalisierten Drogenhandels. Hier geht es aber nicht um Drogen, sondern um Rassismus. Dieser zeigt sich auf mehreren Ebenen, etwa dort, wo Schwarze oder Muslime als gefährlich markiert und zu ›anderen‹ gemacht werden. Oder wo Kontrollpraktiken selektiv anhand von Merkmalen wie der Hautfarbe erfolgen. Er zeigt sich ganz konkret in der restriktiven Asylgesetzgebung, die es Menschen oftmals nicht erlaubt, legal zu arbeiten.

Im Zentrum der Kritik steht die »Taskforce Drogen«. Welche Rolle spielt sie im Viertel?

Als Nachbarschaftsinitiative beobachten und dokumentieren wir die Einsätze der seit 2016 eingesetzten polizeilichen Sondereinheit seit vielen Jahren. Die andauernde Präsenz der »Taskforce Drogen« stellt für viele Menschen im Kiez keine Sicherheit, sondern eine Bedrohung dar. Wir wollen deutlich machen, dass die Polizei nicht die sozial hergestellten Probleme löst, denn dafür ist sie wieder geeignet noch vorgesehen. Sie stabilisiert die bestehenden Machtverhältnisse. Wir setzen uns für eine andere Herangehensweise ein. Eine obdachlose Person braucht keine Polizei, die sie vertreibt. Eine Person, die mit Drogen handelt, weil sie keine Arbeitserlaubnis erhält, braucht keine Kriminalisierung.

Hat es in der Vergangenheit ähnliche Polizeieinsätze gegeben? Wurden sie ebenfalls als rechtswidrig eingestuft?

Der nun von einem Gericht als rechtswidrig eingestufte Einsatz fügt sich ein in die nahezu tagtäglich stattfindenden rassistischen Polizeikontrollen und eine schier endlose Reihe polizeilicher Gewaltexzesse im Stadtteil St. Pauli. Auch bewaffnete Einbrüche und Razzien durch die Polizei gehören dabei mittlerweile zum »alltäglichen Ausnahmezustand«. Bereits mehrere Einsätze wurden von Gerichten nachträglich als rechtswidrig eingestuft. Ein Teil des rassistischen Status quo ist jedoch immer auch seine Leugnung. So ging es in den Urteilen eigentlich nie um Rassismus. Zudem wird ein Großteil der Polizeipraktiken überhaupt nicht vor Gericht verhandelt. Das hat unterschiedliche Gründe, wie etwa die Ignoranz und fehlende Sensibilität der Gerichte hinsichtlich Rassismus und eine geringe Beschwerdemacht der Betroffenen.

Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, damit sich solche Einsätze nicht wiederholen?

Damit sich solche Einsätze nicht wiederholen, braucht es ein radikales politisches Umdenken. Was wir fordern, ist eine sofortige Abschaffung der »Taskforce Drogen« sowie eine Umleitung der immensen finanziellen Mittel. Statt zig Millionen Euro in die polizeiliche Sondereinheit zu investieren, brauchen wir einen Ausbau sozialer Infrastruktur, gesellschaftlicher Teilhabe und solidarischer Netzwerke im Stadtteil. Für jene Menschen, die aufgrund fehlender anderer Möglichkeiten mit dem illegalisierten Verkauf von Drogen ihren Lebensunterhalt bestreiten, fordern wir eine echte Perspektive: Bleiberecht und Arbeitserlaubnis für alle! Wir wünschen uns außerdem, dass sich mehr Menschen mit den Betroffenen solidarisieren, wenn die Polizei wieder einmal insbesondere marginalisierte Menschen schikaniert.

Josefine Schulte ist bei »Copwatch Hamburg« aktiv

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