Gegenstöße bei Kursk
Von Reinhard LauterbachAlle Gerüchte über möglicherweise bevorstehende Einstellungen der Kämpfe in der Ukraine erweisen sich im Lichte der faktischen Lage an der Front als völlig spekulativ. Im Gegenteil hat Russland zuletzt seine Offensivoperationen an allen Fronten sogar verstärkt – was man natürlich als Versuch interpretieren kann, vor einem eventuellen Waffenstillstand entlang der Frontlinie diese noch soweit wie möglich zu den eigenen Gunsten zu verschieben.
Jedenfalls wird nach zwei Monaten deutlich, dass die Ukraine auch im russischen Bezirk Kursk in die Defensive gedrängt ist. Karten russischer und ukrainischer Webseiten zeugen davon, dass russische Einheiten dabei sind, von Westen und Osten in die Flanken der nach Norden vormarschierten ukrainischen Einheiten hineinzustoßen. Angeblich sind dort sieben Brigaden der ukrainischen Armee von der Einschließung bedroht; nachzuprüfen ist das kaum. Auch die Namen der umkämpften Ortschaften sind nur in Verbindung mit genauen Karten aussagekräftig, aber es scheint zu einem zumindest teilweisen Austausch der ukrainischen Einheiten auf russischem Boden durch frische Truppen gekommen zu sein. Die mit der Kriegsanstrengung Russlands sympathisierende Seite svpressa.ru wies in jedem Fall jüngste Meldungen einiger Blogger darüber, dass die ukrainischen Truppen bereits auf der Flucht ins eigene Territorium seien, als »Wunschdenken« zurück. Noch werde im Kursker Gebiet gekämpft, und die Ukraine versuche auch Gegenstöße.
Diese rein taktischen Operationen ändern aber nichts an der Gesamteinschätzung, dass die Ukraine ihr strategisches Hauptziel der Invasion verfehlt hat: Sie kontrolliert nicht das gleichnamige Atomkraftwerk in der Stadt Kurtschatow westlich von Kursk, und das von ihr besetzte Gebiet hat sich von zeitweise etwa 1.100 Quadratkilometern auf inzwischen etwa die Hälfte dieser Fläche verkleinert. Der ukrainische Oberbefehlshaber Generaloberst Olexander Sirskij behauptete zwar, Russland habe die Front im Kursker Gebiet nur stabilisieren können, indem es Einheiten von anderen Frontabschnitten abgezogen habe. Doch diese Aussage ist insofern relativ, als die russische Offensive im zentralen und nördlichen Donbass offenbar trotzdem weitergeht und praktisch jeden Tag über weitere an Russland verlorengegangene Ortschaften berichtet wird. Für die nächsten Tage wird länger anhaltender Regen vorhergesagt, so dass mit dem Einsetzen der Schlammperiode die Truppenbewegungen beider Seiten langsamer werden dürften.
Parallel dazu hat Russland zuletzt seine Raketenangriffe auf Ziele im ukrainischen Hinterland wieder intensiviert. Seit Anfang dieser Woche sind Ziele in und um Odessa schon mindestens dreimal getroffen worden. Zerstört und beschädigt wurden offenbar Einrichtungen der Entladeinfrastruktur im Hafen von Tschornomorsk, ein dort liegender Containerfrachter unter panamaischer Flagge, der angeblich Ladungen für das ukrainische Militär transportierte, sowie eine Schiffswerft in der Hafenstadt Mikolajiw etwas näher an der Frontlinie. Beim Beschuss einer Containersiedlung für Arbeiter in Tschornomorsk kamen offenbar mehrere Menschen ums Leben. Die russischen Angriffe auf Frachtschiffe auch unter ausgefallener Flagge sollen offenbar dazu dienen, die Versicherungsprämien und damit die Frachtraten für die Schwarzmeerrouten in die Höhe zu treiben.
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