»Ich war am Tag danach am Boden zerstört«
Interview: Thomas Berger, BroomeNicht passiver Empfang von Sozialleistungen, sondern Aboriginal Empowerment, so lautet der Leitgedanke bei Aarnja. Können Sie das näher erklären?
Wir sind keine Organisation, die etwas zu verteilen hat, sondern wir stehen fest an der Seite derer, die sich in unserer Region in Westaustralien auf Graswurzelebene für ihre Rechte organisieren wollen. Erst unlängst war ein Mann in unserem Büro, der lokal eine Aborigines-Gruppe aufbauen möchte. In solchen Fällen bieten wir Unterstützung, etwa beim Gründungsprozess direkt, bei Verwaltungsfragen, oder wir geben Rat, wo sich zum Beispiel finanzielle Hilfen beschaffen lassen. Außerdem sitzen wir immer wieder mit Regierungsvertretern zusammen, sei es auf lokaler Ebene, in der Region oder auch mit der nationalen Regierung.
Auch die Vernetzung zwischen den Aborigines-Verbänden ist ein Bestandteil Ihrer Arbeit …
Ich gehörte ja selbst zu den Delegierten, die 2017 das »Uluru Statement from the Heart« erarbeitet haben (darin bezeichnen Aborigines-Führer die weiße Landnahme ab 1788 als Invasion und fordern einen Grundlagenvertrag mit den Ureinwohnern sowie ein dem Parlament zur Seite gestelltes Gremium »Voice«, jW). Das war ein Meilenstein. Und es war in allem, was in dem ganzen Text steht, tatsächlich eine Erklärung aus tiefstem Herzen, im vollen Bewusstsein all der uns entgegengebrachten Feindseligkeit, der Unterdrückung und des Missbrauchs. Aber ein Zeichen des guten Willens und mit dem klaren Blick nach vorn.
Dann kam 2023 das »Voice«-Referendum, das am Ende gescheitert ist.
Am Montag ist das nun genau ein Jahr her. Ich glaube, wir waren nicht im geringsten darauf vorbereitet, wie das Ganze umgehend in den parteipolitischen Raum getragen wurde – ab diesem Moment haben wir faktisch die Kontrolle über dieses uns so wichtige Anliegen verloren. Doch es waren nicht nur Gruppen aus den Parteien, die da eine unrühmliche Rolle in der zugespitzten Auseinandersetzung spielten. Es gab medial sehr viel negative Einflussnahme mit Stimmungsmache und gezielter Falschinformation, insbesondere in den sozialen Netzwerken. Das bleibt noch immer kritisch aufzuarbeiten. Ich war, wie viele andere, nach der gescheiterten Abstimmung am Boden zerstört, habe im Grunde den nächsten Tag nur geheult, so nah ging mir das. Eben weil die generelle Mehrheit für ein Nein so herzzerreißend war, wühlt mich das bis heute immer wieder neu auf. Als Organisation haben wir aber eine Verantwortung, auch gegenüber Mitstreitern aus der Mehrheitsgesellschaft. Auch hier in Broome und Umgebung haben sich viele jenseits der Aborigines-Gruppen, die ja Rückschläge gewohnt sind, stark dafür engagiert. Für diese Aktivisten war so eine Erfahrung des Scheiterns oftmals ganz neu, musste erst mal richtig verarbeitet werden. Wir haben deshalb kurz danach eine sogenannte Heilungsversammlung organisiert. Bei der Planung dachten wir, da kommen 20 bis 30 Leute – es waren dann über 120. Das zeigt den noch immer sehr großen Zusammenhalt. Es ist ein Gefühl, das Kraft gibt, damit wir uns weiterhin für Gerechtigkeit einsetzen.
Lässt sich trotz der schmerzhaften Niederlage vor einem Jahr aus dem Prozess etwas Positives für die Zukunft mitnehmen?
Zumindest in unserer Region gab es ein klares Ja. Das kann uns als Fakt niemand nehmen, darauf können wir stolz sein, und daraus können wir weiter Kraft schöpfen. Wir leben ja immer in der Hoffnung auf Fortschritte. Das ist das, was uns antreibt. Außerdem sind wir gerade in Kimberley auf gutem Weg, zumindest ein eigenes regionales »Voice«-Gremium aufzubauen – das wäre dann meines Wissens landesweit die bisher erste Institution dieser Art.
Cherie Sibosado ist CEO der Organisation Aarnja in Broome, der größten Stadt der Region Kimberley in Westaustralien
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