Aufs Tempo drücken
Von Thomas BergerEinigkeit ließ sich bisher unter den Staaten nicht erzielen, also gilt der Status quo: keine kommerzielle Freigabe des Tiefseebergbaus. Im Januar allerdings hatte Norwegen den Weg für Förderlizenzen in seinen Hoheitsgewässern freigemacht. Es geht um ein 280.000 Quadratkilometer großes Gebiet im Arktischen Ozean zwischen Grönland, Island und Spitzbergen. Zwar wurde mit der Grundsatzentscheidung, vor der 120 EU-Abgeordnete in einem Schreiben die Regierung in Oslo gewarnt hatten, noch nicht direkt der Abbau erlaubt. Firmen müssen zunächst genauere Erkundungen anstellen und sollen eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorlegen. Norwegen hat sich aber selbst mit diesem »vorsichtigen Ansatz«, wie es heißt, über die gravierende Bedenken internationaler Expertenteams wie auch des norwegischen Havforskningsinstitutts (Institute of Marine Research, IMR) hinweggesetzt. Als »katastrophal« bezeichnete Martin Webeler von der Environmental Justice Foundation (EJF) den Vorstoß gegenüber der BBC.
Der kleine, 12.000 Einwohner zählende Pazifikstaat Nauru hatte allerdings schon 2021 die anderen ISA-Mitgliedstaaten daran erinnert, dass eine Zweijahresfrist vereinbart worden sei, nach deren Ablauf Förderlizenzen zuzustimmen sei, wenn bis dahin keine verbindliche Rahmenregelung gefunden werde. Bisher hat sich Nauru nicht ganz eindeutig geäußert, ob es bereits zum Jahresende oder im Laufe des Jahres 2025 einen Alleingang unternehmen wird. Der Auftritt des Präsidenten von Nauru, David Adeang, vor der UN-Generalversammlung hat den Druck aber intensiviert.
Bislang mag vor allem starker Widerstand pazifischer Nachbarn Nauru noch gebremst haben – Palau, Fidschi, Samoa und die Föderierten Staaten von Mikronesien hatten sich 2022 gegen den Tiefseebergbau ausgesprochen, Vanuatu folgte 2023 mit einer eindeutigen Stellungnahme, Tuvalu in diesem Jahr. Vor drei Jahren war es Adeangs Vorgänger Lionel Aingimea, heute Vizechef des Parlaments, der die Forderung gegenüber der ISA vorgebracht hatte.
Es gab Zeiten, da galt Nauru als »reichste kleine Insel«, so eine Titelzeile der New York Times 1982: Tatsächlich hatte der schon vor der Unabhängigkeit 1968 begonnene Phosphatabbau der jungen Nation für eine gewisse Zeit viel Geld in die Staatskasse gespült – auf dem Höhepunkt waren das 1,1 Milliarden US-Dollar. Mehr als zwei Drittel der Inselfläche wurden damals unbewohnbar gemacht, aber der Geldregen war irgendwann vorbei. Heute hält sich Nauru vor allem mit jenen Millionen über Wasser, die Australien als »Entwicklungshilfe« im Austausch für die Auslagerung von Bootsflüchtlingen auf die Insel bezahlt. Einnahmen für Lizenzen zum Abbau von Manganknollen wären deshalb höchst willkommen. Doch welchen Preis will Nauru dafür ökologisch zahlen?
Die Firma Nauru Ocean Resources Inc. (NORI), hinter der der kanadische Konzern The Metals Company (TMC) steht, würde lieber heute als morgen mit der Förderung beginnen. Beim pazifischen Inselforum in Tonga Ende August hatte TMC-Chef Gerard Barron, der alle wissenschaftlichen Bedenken als »Panikmache« beiseite wischte, bekräftigt, dass der Konzern 2026 mit dem Abbau beginnen will. Politisch pikant: Barron trat beim Forum als offizielles Delegationsmitglied Naurus auf.
Welche ökologischen Folgen der Tiefseebergbau haben könnte, ist bislang nicht ausgemacht. Das Forscherteam von »Seabed Mining and Resilience to Experimental Impact« (Smartex) hatte 2023 bei seiner ersten Erkundung in der Clarion-Clipperton-Zone mehr als 5.000 neue Spezies entdeckt. »Was wir verlieren könnten, wenn wir mit dem Bergbau beginnen, ist eine Frage, die bisher noch nicht wirklich beantworten können«, sagte Tiefseeökologin Muriel Rabone gegenüber Science. Die Forschungen stehen schließlich erst am Anfang.
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