Weniger Kühe, weniger Gülle
Von Gerrit HoekmanDas niederländische Parlament hat am Dienstag den Gesetzesvorschlag der Landwirtschaftsministerin Femke Wiersma zur Reduzierung der Gülleproduktion mit großer Mehrheit angenommen. Nur zehn Abgeordnete kleinerer Parteien wie die erzkalvinistische SGP und die Partei für die Tiere stimmten dagegen. Die Landwirte fühlen sich von Femke Wiersmas Partei, der »Boer Burger Beweging« (Bauer-Bürger-Bewegung, BBB), betrogen. Die hatte im Wahlkampf versprochen, dass es mit ihr keine Reduzierung des Viehbestands geben werde. Das Verhältnis zwischen BBB und den Bauern wird frostiger.
Es ist klar wie Rindsbouillon, dass der Viehbestand in den Niederlanden viel zu groß ist. Was dabei hinten rauskommt, ist schlecht für die Umwelt. Jahrelang profitierten die Milchviehhalter zwischen Groningen und Zeeland von einer Ausnahmegenehmigung der EU. Sie durften weitaus mehr Gülle produzieren als die Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern der Union. Dieser Sonderstatus fällt nun weg. Laut dem am Dienstag verabschiedeten Gesetz muss deshalb ein Landwirt, der einen Hof neu erwirbt oder pachtet, den Viehbestand reduzieren: Milchviehbetriebe um 30 Prozent, Schweinezüchter um 25 Prozent und Geflügelhalter um 15 Prozent.
Die Geflügelhalter finden das höchst ungerecht, weil ihre Tiere 2023 nur für fünf Prozent der Gülle verantwortlich waren, die 3,8 Millionen Rinder aber für 83 Prozent. Auch die 11,3 Millionen Schweine liegen mit zwölf Prozent weit darunter. Das Problem entsteht also in den Kuhställen. Offenbar will Ministerin Wiersma die Rinderzüchter aber schonen, indem sie die Last auf mehrere Schultern verteilt. Kein Wunder, denn sie war vier Jahre lang politische Beraterin beim Verband der Milchviehbauern.
»Die Lösung für den Gülleüberschuss liegt sicherlich nicht beim Geflügelsektor«, stellte der Verband der Geflügelzüchter (NVP) am Dienstag fest. »Selbst wenn alle Hühner aus den Niederlanden verschwinden würden, stünde kein einziger Quadratmeter Land für Viehmist zur Verfügung«, so der NVP. Der Geflügelsektor produziere nämlich Trockenmist, der größtenteils in »grüne« Energie umgewandelt werde. Mit dem neuen Gesetz würden nun ein paar hundert Geflügelhalter pleitegehen, warnt der NVP.
Mark van den Oever, Chef der rechten, militanten »Farmers Defence Force« (FDF), äußerte sich am Dienstag auf Instagram weitaus radikaler. Die FDF hatte mit den von ihr angestachelten, energischen Protesten zwischen 2019 und 2022, als Traktoren die Autobahnen blockierten und Strohballen brannten, einen erheblichen Anteil daran, dass die BBB auf der politischen Bühne als Sprachrohr der Landwirte reüssierte. »Ihr habt uns versprochen, nach Brüssel zu gehen und mit der Faust auf den Tisch zu hauen«, wetterte van den Oever. Wenn sich Brüssel querstelle, müsse die BBB eben mit dem »Nexit«, dem Austritt der Niederlande aus der EU, drohen. »Wir sind die Stimme der Bauern. Ihr wisst nun, was zu tun ist. Wenn nicht, kommt ihr von selbst dahinter, genau wie vorher der CDA«, drohte van den Oever. Die Partei Christen-Democratisch Appél (CDA) war über Jahrzehnte die unangefochtene Stimme der Landbevölkerung – bis ihr die BBB den Rang ablief. Sorgt nun ausgerechnet das Gesetz einer BBB-Ministerin für die nächste Bauernbambule?
»Du bist die Frau vom platten Land. Vergisst du das manchmal?« erinnerte van den Oever die Anführerin der BBB, Caroline van der Plas, wütend an ihre Herkunft und wem sie zu verdanken hat, dass sie im Parlament sitzt. Van der Plas ist von Haus ebenfalls Agrarlobbyistin. »Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Ausnahmeregelung zurückbekommen«, sagte sie am Mittwoch während einer Debatte im Parlament. »In Brüssel weht jetzt ein anderer Wind, und nächsten Monat wird es eine andere Kommission geben.« Harm Holman vom Nieuw Sociaal Contract (NSC) war weniger optimistisch: »Mit dieser Politik werden wir die Ausnahmereglung nicht zurückbekommen.« Eine erstaunliche Aussage, denn NSC und BBB sind gemeinsam in der Regierungskoalition.
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