Dresden spart sich krank
Von Steve HollaskyEs sei eine »Liste der Grausamkeiten« hatten die Dresdner Neuesten Nachrichten schon im September über den Etat der sächsischen Landeshauptstadt getitelt. Sieht man sich die ersten Informationen an, die nun durchsickern, fällt es schwer, die Finanzplanungen der Elbmetropole für die Jahre 2025 und 2026 anders zu nennen. Um nicht weniger als 70 Millionen Euro will der Freistaat die Überweisung an die Stadt verringern. Diesen Fehlbetrag will Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) durch Ausgabenkürzungen kompensieren.
Allein 300.000 Euro sollen bei den öffentlichen Bibliotheken »eingespart« werden. Die Kitagebühren drohen von 242 auf 349 Euro im Monat anzusteigen. Zugleich dürfte die Schulsozialarbeit kräftig gerupft werden. Nach aktuellen Informationen könnten die gerade erst geschaffenen sozialarbeiterischen Angebote an Gymnasien und Grundschulen wieder verschwinden. Auf den Neubau der 101. Oberschule will die Stadt einstweilen verzichten. Über eine Verlängerung der Taktzeiten bei den Straßenbahnen von zehn auf 15 Minuten wird im Rathaus ebenso nachgedacht wie über einen Verkauf der Stadtreinigung. Auch die Parkgebühren sollen steigen. Zwei der vier mobilen Beratungsstellen bei Demenz und Alzheimer (Gerda) sollen geschlossen und mehr als 35 Millionen Euro bei der mobilen Kinder- und Jugendsozialarbeit gestrichen werden. Dort befürchtet man den Wegfall von bis zu 70 Vollzeitstellen. Das Suchthilfeprojekt Safe (Straßensozialarbeit für Erwachsene) könnte vollkommen verschwinden.
Für die Pflege von Sportstätten sollen ab Januar dem Sportbund nur noch 800.000 Euro zur Verfügung stehen – nicht einmal ein Zehntel der von der Organisation geforderten Mindestsumme. Zahlreiche Kulturprojekte wie das Theaterpädagogische Zentrum wären von Kürzungen betroffen. Die Aufzählung ließe sich noch deutlich verlängern.
Während sich Hilbert bei der Vorlage des Haushaltsentwurfs nicht beeilt, verschickt die Stadt derweil die ersten blauen Briefe an soziale Projekte. Der finanzpolitische Sprecher der Stadtratsfraktion der Linken, Tilo Kießling, erklärte im Gespräch mit der jW, man werde »Kindern und Enkeln eine baulich und sozial zerstörte Gesellschaft hinterlassen«, wenn man sich dem Dogma der Schuldenbremse weiter unterwerfe.
Inzwischen rumort es gewaltig in der Stadt: Eine Onlinepetition gegen die Erhöhung der Kitagebühren aus dem Kreis der SPD-Stadtratsfraktion unterzeichneten inzwischen mehr als 20.000 Menschen. Mehr als 2.000 machten mit ihrer Unterschrift deutlich, dass sie die Schließungen der »Gerda«-Beratungsstellen ablehnen. Seit dem 18. Oktober zirkuliert zudem ein Protestbrief. Entworfen hat ihn das »Bündnis für Pflege« Dresden. Die Aktivistinnen, die sich sonst für bessere Arbeitsbedingungen in Kliniken und Pflegeheimen einsetzen, haben zusammen mit anderen Gruppen und Institutionen ein Bündnis unter dem Motto »Kürzungen? Nicht mit uns!« gebildet, das sämtliche Streichungen ablehnt.
»Die kapitalistische Krise« solle mit den kommunalen Kürzungen wieder einmal auf die arbeitende Bevölkerung abgewälzt werden, erklärte Anna Rosendahl vom Bündnis im jW-Gespräch. Unterdessen würden »die Superreichen wieder geschont«. Genau die aber will das Bündnis zur Kasse bitten. Zudem fordern die Aktivistinnen und Aktivisten Gewerkschaften auf, weitere Proteste zu organisieren.
Unterzeichnet haben den Brief mehr als 40 Institutionen, Gruppen und Einzelpersonen. Mit dabei das Theaterpädagogische Zentrum, die Dresdner Verdi-Jugend, die junge GEW, der Verbund sozialpädagogischer Projekte und das Frauenstadtarchiv. »Wir werden uns nicht gegeneinander ausspielen lassen«, erklärt Anne Pötzsch vom Bündnis für Pflege. Inzwischen steht das Schreiben zum Unterzeichnen online. Am Tag der Einbringung des Haushalts in den Stadtrat will das Bündnis vor das Rathaus mobilisieren.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (21. Oktober 2024 um 11:15 Uhr)Was in Dresden schon an sozialen Grausamkeiten geplant ist und anderswo zwangsläufig auch noch folgen wird, ist schlicht die zu erwartende Langzeitfolge gesamtstaatlicher Politik in der BRD. Wie soll ein Staat mit einer schrumpfenden Wirtschaft verkraften, dass ein zunehmender Teil der Staatseinnahmen in die Ukraine abfließt, um dort die Regierung vor der absoluten Pleite zu bewahren? Wenn das Geld in der Aufrüstung verpulvert wird, woher sollen dann die Mittel für Bildung, Infrastruktur und Kultur kommen? Wenn man die Reichen auf dem Buckel aller Werktätigen Milliarden verdienen lässt, ohne sie an den dafür erforderlichen gesellschaftlichen Kosten angemessen zu beteiligen, woher sollen dann die Mittel für ein angemessenes Gesundheitswesen oder die Altersversorgung stammen? Natürlich kann man dem kleinen Mann (und seiner Frau) endlos in die Tasche fassen. Allerdings kann man da, wo wenig drin ist, auch nur wenig herausholen, ohne dass die Volksseele irgendwann überkocht. Und so spart das Land weiter am Nötigsten, weil das Geld dort ausgegeben wird, wo es allen am meisten wehtut: Für eine sinnlose und verheerende »Kriegstüchtigkeit« und das auch daraus resultierende Wohl von Superreichen in aller Welt.
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