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Aus: Ausgabe vom 29.10.2024, Seite 4 / Inland
Repression gegen Palästina-Bewegung

Notfalls wird geräumt

Berlin: Gerichtsverhandlung wegen Flugblättern über »palästinensischen Widerstand«
Von Jamal Iqrith
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Ein Symbolbild

Gut 40 Minuten nach dem angesetzten Termin begann am Montag die Verhandlung im Amtsgericht Tiergarten in Berlin. »Wenn es zu Beifall oder anderen Störungen kommt, lasse ich notfalls den gesamten Saal räumen« – die Vorsitzende Richterin machte gleich zu Beginn klar, dass die rund 30 Unterstützer im Saal nicht als Aktivisten, sondern als Zuhörer gekommen seien. Die Staatsanwaltschaft warf der Angeklagten vor, bei einer palästinasolidarischen Demonstration im Oktober 2023 in Berlin-Neukölln einen Polizisten attackiert zu haben. Daneben soll sie vor dem Ernst-Abbe-Gymnasium im selben Bezirk »israelfeindliche Flyer« verteilt haben. Die Anklage lautete unter anderem auf »Billigung von Straftaten« und »tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte«.

An der Schule war es am 9. Oktober 2023 – zwei Tage nach den Angriffen der Hamas in Südisrael – wegen einer Palästina-Flagge zu einer Auseinandersetzung zwischen einem Lehrer und einem Schüler gekommen. Nachdem ein 14jähriger Schüler eine Flagge auf dem Schulhof gezeigt hatte, versuchte der Lehrer, ihm diese zu entreißen. Daraufhin soll der Lehrer einen 15jährigen Schüler geohrfeigt haben, der sich eingemischt haben soll. Die Elternvertretung des Ernst-Abbe-Gymnasiums organisierte nach diesem Vorfall eine Kundgebung unter dem Motto »Kein Platz für Rassismus, kein Platz für Gewalt«, welche von der Polizei verboten wurde. Am Vormittag versammelten sich trotz des Verbots etwa 30 bis 40 Menschen – überwiegend Schüler – vor dem Gymnasium. Laut Polizeiangaben verteilten mehrere Personen Flyer, darunter die Angeklagte.

Die 20jährige Studentin bestritt im Gerichtssaal nicht, dass sie die Flugblätter verteilt hatte. Im Gegenteil stehe sie weiterhin hinter deren Inhalt und »an der Seite des palästinensischen Befreiungskampfs«. Sie engagiere sich für ein »befreites Palästina vom Fluss bis zum Meer«, erklärte sie in ihrer Rede zu Beginn der Versammlung. Seit 76 Jahren übten die Palästinenser »Widerstand« gegen »Siedlerkolonialismus« aus, jener habe am 7. Oktober 2023 seinen »Höhepunkt erreicht«, so die Studentin. Daneben kritisierte sie die polizeiliche Repression gegen palästinasolidarische Proteste in Deutschland.

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft hob beim Verlesen der Anklage die Sätze »Palästina sprengt seine Ketten« sowie »Von Berlin bis nach Gaza – Yallah Intifada« hervor, die auf dem Flyer zu lesen gewesen sein sollen. Vor der Befragung von Zeugen gab dann die Vorsitzende Richterin eine vorläufige Einschätzung ab. In bezug auf den Satz »Vom Fluss bis zum Meer« existierten mehrere Interpretationen, von denen einige nicht strafrechtlich relevant seien. So könne mit der Parole auch die Hoffnung darauf, auf »diplomatischem Weg« zu einer Zwei- oder Einstaatenlösung zu kommen, verbunden sein.

Ein Großteil der Verhandlung drehte sich um den zweiten angeblichen Tatbestand. Demnach soll die Angeklagte am selben Tag einem Polizeibeamten, der eine andere Person festgenommen hatte, »in den Rücken gestoßen und ihn umklammert haben.« Nach dem 7. Oktober 2023 kam es in Berlin-Neukölln, wo eine große palästinensische Community lebt, zu zahlreichen Versammlungsverboten gegen palästinasolidarische Veranstaltungen, die sich gegen die israelische Vergeltung im Gazastreifen richteten.

Vor den Abschlussplädoyers sorgte die Jugendgerichtshilfe mit einem Vorschlag für Aufsehen: Mindestens 80 Sozialstunden solle die Angeklagte leisten – bei der Jüdischen Gemeinde Berlin, weil diese sich »für den Staat Israel« einsetze. Die Verteidigung entgegnete, es sei nicht »Erziehungsaufgabe« des Staates, die »Liebe junger Menschen zum Staat Israel« zu stärken. Bis zum jW-Redaktionsschluss dauerte die Verhandlung noch an.

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