Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Gegründet 1947 Sa. / So., 21. / 22. Dezember 2024, Nr. 298
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025 Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
Aus: Ausgabe vom 05.11.2024, Seite 4 / Inland
Inlandsgeheimdienst

Jäger und Sammler

Bald 500.000 personenbezogene Einträge im Informationssystem des Inlandsgeheimdienstes
Von Henning von Stoltzenberg
imago758604893.jpg
In jeder Hinsicht im Blick: Videoüberwachung eines öffentlichen Platzes in Frankfurt am Main (1.9.2024)

Aus einer Aufstellung der Bundesregierung geht hervor, dass die Zahl der im Informationssystem des Verfassungsschutzes gespeicherten Datensätze zu einzelnen Personen 2024 zum dritten Mal in Folge gestiegen ist. Die Regierung bezieht sich auf die Verfassungsschutzberichte der vergangenen zehn Jahre. Demnach gab es Anfang 2024 über 484.000 personenbezogene Eintragungen, nach knapp 476.000 Eintragungen 2022 und rund 466.592 Datensätzen 2022.

Eintragungen aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen oder Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach den Bestimmungen des Luftsicherheitsgesetzes oder des Atomgesetzes sind den Angaben zufolge hierbei nicht aufgeführt. Nach spätestens fünf Jahren prüft das Bundesamt für Verfassungsschutz bei der Bearbeitung der Einzelfälle, ob die gespeicherten personenbezogenen Daten zu überarbeiten oder zu löschen sind. Allerdings wird offenbar in den allermeisten Fällen nicht gelöscht, denn der Datenberg wächst zuverlässig Jahr für Jahr. Anfang 2014 gab es im Informationssystem der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern rund 424.600 personenbezogene Eintragungen.

Anders als beim als »extremistisch« eingestuften Personenpotential, das der Inlandsgeheimdienst jährlich für die verschiedenen Phänomenbereiche schätzt, geht es in der gemeinsamen Datenbank um Einzelpersonen, nicht um Organisationen, die der Inlandsgeheimdienst im Blick hat.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Wenzel Schmidt hat schriftlich bei der Bundesregierung nachgefragt, wie sich die Anzahl der personenbezogenen Eintragungen im Informationssystem des Verfassungsschutzes bezogen auf die verschiedenen Phänomenbereiche wie »Rechtsextremismus, Linksextremismus und Islamismus« zuletzt entwickelt hat. Eine nach diesen Bereichen aufgeschlüsselte Antwort erhielt der rechte Abgeordnete nicht. Begründet wurde dies mit »Staatswohlerwägungen sowie aufgrund des mit der Beantwortung verbundenen Aufwands«.

Derart pauschale Ablehnungsgründe sind unabhängig vom Anfragenden Standard. In Einzelfällen werden oft nur Teile der angeblichen Erkenntnisse mitgeteilt. Das betrifft vor allem Personen, die erfahren möchten, was der Nachrichtendienst über sie gespeichert hat. Grundsätzlich können jedoch alle Bürgerinnen und Bürger bei den Verfassungsschutzämtern Auskunft darüber verlangen, ob zu ihrer Person Daten gespeichert sind. Oftmals muss allerdings der Rechtsweg beschritten werden. Das hat etwa Hans-Georg Maaßen getan, der frühere Präsident der Behörde.

Linke Organisationen geben im Netz Hilfestellung für eine erfolgreiche Datenabfrage. So bietet die der Roten Hilfe nahestehende Gruppe »Datenschmutz« auf ihrer Internetseite einen Generator an, der nach dem Ausfüllen eines Formulars einen entsprechenden Antrag für die Behördenanfrage erzeugt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Inland