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Aus: Ausgabe vom 12.11.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Nahostkonflikt

Angriff auf Souveränität

Syrien: Seit Jahren bombardiert Israels Armee das Nachbarland. Auch Regime-Change-Krieg wurde von Tel Aviv unterstützt
Von Wiebke Diehl
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Immer wieder werden von den israelischen Angriffen vor allem Zivilisten getroffen (Damaskus, 9.10.2024)

Sieben Tote und mindestens 14 Verletzte: Das ist das Resultat eines israelischen Angriffs auf ein Wohnhaus in Damaskus, den Israels Luftwaffe am Sonntag ausgeführt hat. Nur einen Tag zuvor waren im Umland von Aleppo und Idlib mehrere Soldaten verletzt und materielle Schäden verursacht worden. Am Montag bombardierte Israel laut SANA ein Hilfszentrum für Binnenvertriebene bei Homs. Es zeigt sich, dass die israelischen Angriffe auf Syrien immer häufiger und tödlicher werden: Montag vergangener Woche wurden bei einem israelischen Angriff in der syrischen Hauptstadt zwei Menschen getötet, es entstand erheblicher Sachschaden an zivilen Einrichtungen. Bereits Anfang Oktober hat ein israelischer Luftschlag in Damaskus 13 Todesopfer gefordert. Am 31. Oktober waren es bei einem Angriff in der Region Kusair mindestens zehn Menschen, die meisten davon Zivilisten.

Nach Angaben der Organisation »Armed Conflict Location and Event Data« (ACLED) hat Israel Syrien seit dem 7. Oktober vergangenen Jahres 255mal attackiert. Dabei seien 365 Menschen getötet worden. Die syrische Regierung meldet laut UNO für diesen Zeitraum 116 israelische Angriffe auf ihr Territorium mit mehr als 100 Todesopfern. Tel Aviv selbst äußert sich zu Angriffen seiner Armee auf Syrien, die seit über einem Jahrzehnt andauern und im vergangenen Jahr erheblich intensiviert wurden, in der Regel nicht. Jüngst hat das Militär aber zugegeben, mit Spezialtruppen auf syrisches Gebiet vorgedrungen zu sein und dort einen Mann gefangengenommen und zum Verhör nach Israel entführt zu haben. Damit wurde erstmals offiziell, was bereits seit Monaten geschieht: Israelische Militärtrupps dringen unter Missachtung der syrischen Souveränität ins Nachbarland ein und setzen dort Menschen zum Verhör fest.

Israel behauptet, bei seinen Angriffen in Syrien Waffendepots und militärische Stützpunkte der libanesischen Hisbollah und iranischer Revolutionsgarden ins Visier zu nehmen sowie »die Versorgungswege« der Hisbollah mit Waffen »abzuschneiden«. Tatsächlich aber wird zunehmend die syrische Infrastruktur zum Ziel. Zwölfmal bombardierte Israel die internationalen Flughäfen in Aleppo und Damaskus, weil dort angeblich Materialien für die Herstellung und Montage von Raketen verladen worden seien. Getroffen wurden auch Stützpunkte der syrischen Armee, Radar- und Luftabwehranlagen im Süden des Landes, so in Suweida und Tartus, sowie Forschungszentren. Erneut intensiviert wurden die Luftschläge Israels in Syrien parallel zu dessen militärischer Eskalation im Libanon. Siebzehnmal hat die israelische Armee seit Mitte September syrisch-libanesische Grenzübergänge bombardiert. Damit wurde nicht nur eine bedeutende Handelsroute unterbrochen. Auch können vor den Bombardierungen im Libanon Flüchtende, von denen sich nach UN-Angaben bereits eine halbe Million nach Syrien gerettet haben, die Grenze immer schwerer passieren.

Die syrische Unterstützung der »Achse des Widerstands« im Iran, in Syrien selbst, im Libanon, im Jemen und im Irak ist einer der Gründe für die zunehmende israelische Eskalation gegen das Nachbarland. Aber Mitglieder der Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu verfolgen noch andere langfristige Ziele. Mitte Oktober machte Finanzminister Bezalel Smotrich in einer Arte-Dokumentation noch einmal deutlich, dass sich ein jüdischer Staat in seinen Augen nicht auf das israelische Staatsland und die palästinensischen Gebiete beschränken darf. Vielmehr solle er sich »bis nach Damaskus«, auf Jordanien, den Libanon, Ägypten, den Irak und Saudi-Arabien ausdehnen. Auch der ehemalige Außenminister Avigdor Lieberman hat im vergangenen Monat erklärt, man müsse Teile des Hermon-Gebirges auf syrischem Territorium erobern, um eine »Verteidigungslinie« aufzubauen. Und Israels ehemaliger Energieminister Yuval Steinitz sowie mit Gideon Saar ein weiterer Minister haben dem syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad gedroht, ihn und das syrische politische System zu stürzen, sofern Damaskus seine Unterstützung für die Hisbollah und andere bewaffnete Gruppen nicht einstelle.

Tel Aviv mischt sich seit 2013 auch direkt in den Regime-Change-Krieg in Syrien ein. Nicht nur waren israelische Offiziere neben Vertretern aus den Golfstaaten und Europa am »Military Operations Center« (MOC) beteiligt, über das die CIA terroristische Milizen mit Waffen ausstattete. Im Rahmen der »Guter-Nachbar«-Operation wird der syrischen Bevölkerung in der Grenzregion seit 2016 zudem humanitäre Hilfe geleistet – und den Kämpfern von Terrorgruppen Gehälter gezahlt. Einige Kommandeure der radikalen bewaffneten Gruppen verließen, als sie von der syrischen Armee mit Unterstützung Russlands, der Hisbollah und des Iran besiegt wurden, Syrien über Israel. Kämpfer wurden dort verarztet und zurück in den Krieg geschickt. Tel Aviv stattete mindestens zwölf bewaffnete Gruppen für den Kampf gegen die Regierung Assad mit Waffen, Fahrzeugen und Geld aus, wie das US-Magazin Foreign Policy Ende 2018 unter Berufung auf zahlreiche Vertreter dieser Gruppen berichtete. Im Januar 2019 gab der scheidende Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Gadi Eisenkot, im Interview mit der britischen Sunday Times erstmals zu, man habe die »Rebellen« mit leichten Waffen versorgt. Dies sei zur »Selbstverteidigung« geschehen. Eisenkot räumte im selben Interview ein, dass die israelische Armee Hunderte von Angriffen in Syrien durchgeführt und allein im Jahr 2018 rund 2.000 Bomben auf dortige »iranische Ziele« abgeworfen habe.

Hintergrund: Helfer in Kiew

Mittels ukrainischer Stellvertreter versuchen die USA offenbar erneut Syrien zu destabilisieren. Damit knüpfen sie an ihre jahrzehntealte Strategie an, über andere ihre geopolitischen Ziele umzusetzen, ohne selbst militärisch eingreifen zu müssen.

Mitte September führten Privatsöldner, die der Hauptdirektion des ukrainischen Geheimdienstes angehören, in Kooperation mit Terroristen des Al-Qaida-Ablegers Haiat Tahrir Al-Scham eine Reihe von Drohnenangriffen auf russische Militäreinrichtungen in der Nähe von Aleppo aus, wie die Kyiv Post berichtete. Die Zeitung verfügt nach eigenen Angaben über exklusives Filmmaterial der Attacke. Ähnliche Mitschnitte von früheren Angriffen seien ihr bereits im Juni und Juli zugespielt worden. Damals sei unter anderem der Militärflughafen Kuweires im Osten Aleppos attackiert worden. Die Kyiv Post schreibt, ukrainische Kämpfer seien bereits seit Jahresbeginn an Angriffen gegen russische Militäreinrichtungen in Syrien beteiligt.

Und auch im Oktober wurden Drohnenangriffe auf mehrere syrische Militärstellungen und den russischen Stützpunkt Hmeimim gemeldet. Zudem gibt es Berichte, 250 ukrainische Militärexperten seien im August in Idlib eingetroffen, um extremistische Militante im Einsatz und Bau von Drohnen auszubilden. Unter dem Deckmantel von Handelsgütern seien – mit Unterstützung der US-Besatzungstruppen – große Mengen Drohnenteile nach Idlib geschmuggelt worden. Im Gegenzug hätten die Terrorgruppen Kämpfer in die Oblast Donezk entsandt, um dort die ukrainische Armee zu unterstützen.

Begonnen hat die »Partnerschaft« allerdings weit früher: Bereits im März 2022 erklärten russische Verteidigungsbeamte, etwa 450 Kämpfer terroristischer Gruppen aus Idlib seien in die Ukraine gebracht worden, um dort gegen russische Streitkräfte zu kämpfen. Die US-Besatzungstruppen hätten dies organisiert. Seither hat es weitere solche mutmaßlich mit Hilfe der USA durchgeführte Transporte gegeben. (wd)

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  • Leserbrief von Joachim Seider aus Berlin (12. November 2024 um 07:25 Uhr)
    Israel führt außer im eigenen Land Kriege im Libanon und in Syrien. Jetzt droht es unverhohlen damit, iranische Atomanlagen zu bombardieren. Interessant die Reaktion der deutschen Medien, die sich sonst immer überschlagen mit ihren Wertungen von völkerrechtswidrigen Angriffskriegen: keinerlei Verurteilung. Israel darf selbstverständlich, was andere nicht dürfen. Man kann gut verstehen, dass große Teile der Weltöffentlichkeit diese Doppelzüngigkeit der »wertegeleiteten Politik« des Westens ablehnen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Andreas E. aus Schönefeld (11. November 2024 um 20:26 Uhr)
    Es wird immer offenkundiger – die israelische Regierung verfolgt das seit Menachem Begin, Meir Kahane und anderen verfolgte Ziel des »Eretz Israel«, des »Großisrael«. Dieses Land soll sich zwischen dem Euphrat und dem Nil erstrecken. Angeblich sollen die zwei blauen Streifen in der israelischen Flagge das versinnbildlichen. Damit kann sich der Völkermord an den Palästinensern zu einem Völkermord an Sunniten, Drusen, Alawiten usw. entwickeln. Die ach so auf Menschenrechte fixierte NATO (Zynismus aus) hilft fleißig mit. Die USA entsenden weitere Truppen in den Nahen Osten, die EU-Mitglieder schicken Waffen. Begreift es endlich jemand? Diese israelische Regierung will die wahre Wiege der Menschheit im Goldenen Halbmond auslöschen. Und wenn sich dagegen jemand auflehnt, ist er Antisemit, z. B. in Deutschland. Oder wird wie Galant aus der Regierung Israels entfernt. Diese furchtbare Doppelmoral muss endlich gestoppt werden. Hier in Deutschland haben wir in Kürze die Chance, auch wenn mir die Hoffnung fehlt, dass es passiert …

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