Krieg um KI-Chips
Von Jörg KronauerSeit Montag ist Schluss: Der taiwanische Chiphersteller TSMC hat auf Anordnung aus Washington den Export bestimmter Halbleiter in die Volksrepublik China eingestellt. Dabei handelt es sich um Sieben-Nanometer-Chips, die für die Entwicklung und Anwendung künstlicher Intelligenz (KI) verwendet werden. Die Maßnahme ist der jüngste Schlag der US-Regierung gegen die chinesische Hightechindustrie, deren weiteren Aufstieg die USA wenigstens bremsen, wenn nicht gar stoppen wollen. Weitere Schritte sollen in Kürze folgen.
Auslöser für die jüngste Maßnahme war eine Studie der Analysefirma Techinsights aus der kanadischen Hauptstadt Ottawa. Techinsights, auf Halbleitertechnologie spezialisiert, hatte sich den Prozessor Ascend 910 B vorgenommen, einen der modernsten Prozessoren von Huawei, der bei KI zum Einsatz kommt. Die kanadische Firma behauptete in der Studie, sie habe im Ascend 910 B ein Bauteil gefunden, das von TSMC gefertigt worden sei; dabei dürfe TSMC aufgrund von US-Sanktionen Huawei gar nicht mehr beliefern. Huawei zufolge enthält der Prozessor lediglich Chiptechnologie des Halbleiterherstellers SMIC aus Shanghai – und auch wenn das falsch sein und Techinsights recht haben sollte: Nach Recherchen des Wall Street Journal ist unklar, ob das fragliche Bauteil, sofern es denn wirklich von TSMC stammt, auf nebligen Umwegen in den Besitz von Huawei gelangte oder ob der chinesische Konzern lediglich seine legalen Lagerbestände aus der Zeit vor den harten Sanktionen plünderte. Wirklich gewiss ist also, wie so häufig, nichts.
Das ist aber auch egal; denn die Vereinigten Staaten suchen, wenn es um neue Maßnahmen gegen die chinesische Hightechindustrie geht, allzu oft nicht Gründe, sondern bloß äußere Anlässe. Die Techinsights-Studie bot einen solchen; Washington nahm ihn wahr und drang bei TSMC darauf, den Export sämtlicher KI-fähiger Sieben-Nanometer-Chips nach China zu beenden. TSMC gab umstandslos nach. Man wolle damit zeigen, sagte ein Konzernsprecher, »dass wir die Guten sind und nicht gegen US-Interessen handeln«. Das Embargo trifft chinesische Großkonzerne wie Baidu, aber auch mittlere und kleinere Unternehmen, die KI-Chips entwerfen, so etwa Horizon Robotics, eine Firma, die Software für autonomes Fahren herstellt und ebenfalls auf die Fertigung ihrer Halbleiter bei TSMC setzt. Die Schäden, die diesen Firmen drohen, sind unter Umständen enorm.
Wie weiter? Bei TSMC heißt es, man erwarte noch in den kommenden Wochen – vor dem Ende der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden – eine neue Welle von US-Sanktionen in der Halbleiterbranche. Washington hat bereits die Lieferung von Nvidia-Chips, den aktuell wohl stärksten KI-Chips, an chinesische Firmen untersagt. Es hat zudem dem niederländischen ASML-Konzern verboten, seine modernsten Maschinen zur Halbleiterfertigung nach China zu verkaufen. Der nächste Schritt besteht offenkundig darin, chinesische Unternehmen auch von Auftragsfertigern wie TSMC abzuschneiden. Damit wäre die Volksrepublik in puncto Chipproduktion so langsam komplett auf sich allein gestellt. Ob sie den Sprung in die Eigenständigkeit schafft? Huawei hat kürzlich begonnen, seinen jüngsten KI-Prozessor mit der Bezeichnung Ascend 910 C zu Testzwecken zu versenden. Er gilt als unmittelbares Konkurrenzmodell zu den jüngsten Nvidia-Chips, die bislang den Weltmarkt dominieren.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (12. November 2024 um 23:08 Uhr)SMIC scheint über Fertigungslinien bis hinunter zu »7nm« zu verfügen, allerdings: »Die US-Kommission für Nationale Sicherheit der Künstlichen Intelligenz (NSCAI) empfahl im Zuge dessen der Administration Joe Bidens, einen 2021 ausgeweiteten Handel zwischen SMIC und dem niederländischen Lithografie-Unternehmen ASML diplomatisch zu verhindern.« (https://de.wikipedia.org/wiki/Semiconductor_Manufacturing_International_Corporation). »In China besteht das Problem darin, dass die US-Beschränkungen nicht nur den Zugang zu neueren Maschinen erschweren, sondern auch die Wartung der vorhandenen Anlagen, da SMIC nicht über das entsprechende Wartungspersonal verfügt und große westliche Unternehmen es aus Angst vor US-Sanktionen vorziehen, modernere chinesische Produktionsanlagen nicht zu warten.« (https://iponshop.de/zeitschrift/artikel/bisher-nicht-so-gute-veroffentlichungsrate-des-ki-beschleunigers-der-zweiten-generation-von-huawei-4). Die EUV-Fotolithografie mit »extremer ultravioletter Strahlung« (Wellenlänge 13,5nm) stellt extreme Anforderungen an die Prozessführung und Prozessbestandteile. Das für die Herstellung solcher Lithografiemaschinen notwendige Wissen kommt nicht von heute auf morgen zustande. Der Wertewesten hat mehr als fünfzig Jahre dafür gebraucht.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (12. November 2024 um 17:15 Uhr)So wie einst das alte China nicht in der Lage war, die Herstellung von Seide dauerhaft geheim und im Lande zu halten, so werden auch die USA mit ihren penetranten Erpressungsversuchen der Monopolisierung von Hightech-Know-How scheitern. Allerdings dürften sie bis zu ihrem endgültigen Untergang, der Wissenschaft sowie dem Frieden in der gesamten Welt wohl noch enormen Schaden zufügen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (12. November 2024 um 11:32 Uhr)Taiwans Werben um Trumps Gunst. Die Beziehung zwischen Taiwan und den USA lässt sich vergleichen mit der zu einer Versicherungsgesellschaft. Für seine Verteidigung ist die Inselrepublik vollständig auf die USA angewiesen, da viele andere Länder aus Furcht vor Repressalien Chinas keine Waffen an Taiwan liefern. Deshalb verfolgen die Menschen in Taiwan amerikanische Präsidentschaftswahlen stets mit großem Interesse. Nach Trumps Wahlsieg scheint die Botschaft angekommen zu sein: Die Regierung von Präsident Lai Ching-te plant ein umfangreiches Waffenkaufprogramm, um sich Trumps Wohlwollen zu sichern. Wie genau das Rüstungspaket aussehen wird und welche Waffen die USA tatsächlich bereit sind zu liefern, bleibt abzuwarten. Ebenso unklar ist, ob die geplanten 15 Milliarden US-Dollar genügen werden, um Trump zu überzeugen, dass Taiwan seinen Beitrag zur eigenen Verteidigung leistet. Das große Rüstungspaket soll die USA bei der Stange zu halten.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Norbert S. aus München (12. November 2024 um 05:11 Uhr)Selbstverständlich schafft China das. Denn deren »Human Resources«-Potential für diese Eigenständigkeit ist qualitativ und quantitativ dem des Westens mittlerweile weit überlegen. Daher meine Prognose, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis die »Guten«, die Sanktionierer, die Freihandel nur solange proklamieren, wie sie unterlegene Volkswirtschaften dadurch ausplündern können, in China um entsprechende High-End-Chips betteln werden … oder alternativ, so wahnsinnig wie die in ihrer Hybris und Arroganz unterwegs sind, das Know-how mittels Gewalt zu rauben versuchen.
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