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Aus: Ausgabe vom 20.11.2024, Seite 8 / Ausland
Kleinbauern in Guatemala

»Vielleicht fürchtete der Bürgermeister Konkurrenz«

Guatemala: Prozess wegen getötetem linken Aktivisten beginnt. Ein Gespräch mit Nery Rolando Agustin Lopez
Interview: Thorben Austen, Guatemala-Stadt
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Dutzende linke Aktivisten wurden in den vergangenen Jahren in Guatemala ermordet (San Luisa Jilotepeque, 3.12.2016)

In Guatemala-Stadt wird zur Zeit gegen den mutmaßlichen Auftraggeber des Mordes an dem linken Aktivisten Luis Arturo Marroquín verhandelt. Wie kam es zu dem Mord?

Luis Marroquín wurde am 9. Mai 2019 mit neun Schüssen in einem Schreibwarengeschäft am Parque Central in San Luis Jilotepeque im Departamento Jalapa ermordet. Ermittlungen führten zur Verurteilung von Carlos Romeo Jiménez Estrada, Leibwächter des ehemaligen Bürgermeisters von San Pedro Pinula, José Manuel Méndez Alonso. Jetzt wird gegen Méndez prozessiert. Luis Marroquín war der Regionalverantwortliche unserer Organisation, Komitee für bäuerliche Entwicklung, Codeca, und Teil unserer nationalen Leitung. Er kämpfte gegen Privatisierungen, für den Erhalt der Natur und von kommunalem Eigentum.

Wie lief der erste Prozesstag vergangene Woche?

Die Verhandlung wurde kurz nach Beginn unterbrochen, wegen gesundheitlicher Probleme des Angeklagten. Dabei hatte der Prozess schon verzögert begonnen.

Warum wurde Luis Marroquín ermordet?

Die genauen Motive des Bürgermeisters kennen wir nicht. Der Mord ereignete sich in der Phase, als wir mit der Bewegung für die Befreiung der Völker, MLP, erstmals zu den Wahlen im Juni 2019 antreten wollten. In diesen Wochen wurden mehrere unserer Genossinnen und Genossen ermordet. In der Woche, in der Luis getötet wurde, hatten wir die nötigen Unterlagen für die Wahlen eingereicht. Vielleicht fürchtete der Bürgermeister einfach die Konkurrenz und sah seine Wiederwahl in Gefahr. Die Attentate geschehen aber auch außerhalb der Wahlphase, 29 Mitglieder von Codeca wurden in den vergangenen sechs Jahren umgebracht. Neben regionalen Konflikten könnte auch unser Kampf gegen die Privatisierung der Stromversorgung ein Grund sein, da haben wir uns mit dem Energiekonzern Energuate mächtige Feinde gemacht.

Gab es in anderen Fällen Verurteilungen?

Es gibt zwar Ermittlungen, der Fall von Luis ist aber bisher der einzige, der vor Gericht gelandet ist.

Sie leben in Jalapa im Südosten Guatemalas. Welche Probleme gibt es in der Region?

Es gibt in unserer Region eine erbitterte Auseinandersetzung um Land, also um die Frage, wem es gehört. Wir haben große Probleme mit Landraub im Zusammenhang mit Palmölplantagen, Bergbau und Rodungen der Wälder. Entsprechend ausgeprägt sind auch die Kriminalisierung und Einschüchterung. In den vergangenen Jahren gab es 15 Morde an Aktivisten in der Region.

Seit Januar ist mit Bernardo Arévalo ein Präsident im Amt, der den Kampf gegen die Korruption und einen anderen Umgang mit den indigenen Völkern versprochen hat. Wie sehen Sie seine bisherige Regierungszeit?

Es gibt keinen anderen Umgang mit den indigenen Völkern. Arévalo folgt der gleichen Linie bei der Korruption und macht Politik zugunsten des Unternehmerverbandes CACIF und internationaler Institutionen. Es gab das Versprechen eines »Frühlings« in Guatemala, davon sind wir weit entfernt. Im Gegenteil, wir befürchten durch eine neue Initiative der Regierung die Privatisierung des Wassers.

Die Gesetzesinitiative »Regulierung und Schutz von Wasserquellen« wurde Ende August von der Regierung ins Parlament eingebracht. Warum sehen Sie in dem Gesetz die Gefahr der Privatisierung von Wasser?

Es ist richtig, das Gesetz kleidet sich in schöne Worte und benennt das Problem, dass 90 Prozent der Wasserquellen in Guatemala kontaminiert sind. Aber es sieht vor, dass dieser »Schutz« der Wasserquellen ausgerechnet von internationalen Unternehmen umgesetzt werden soll und nicht beispielsweise von den Gemeinden. Wir befürchten daher, dass am Ende eine Privatisierung des Wassers dabei herauskommt – ähnlich wie bei der Stromversorgung. Das ist eine große Gefahr für Guatemala.

Nery Rolando Agustin Lopez ist Vorsitzender der kleinbäuerlichen Organisation Codeca im Departamento Jalapa im Südosten Guatemalas

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