Haftstrafen für Antiimperialisten
Von Henning von StoltzenbergAm Montag wurden vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf die drei Antiimperialisten Özgül Emre, Ihsan Cibelik und Serkan Küpeli zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt. Das Urteil lautete auf fünf Jahre für Emre, vier Jahre und drei Monate für Cibelik und drei Jahre und drei Monate für Küpeli. Laut Gericht sollen sie aktuell oder in der Vergangenheit Führungskader der unter anderem in der BRD verbotenen DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front) gewesen sein. Dafür wurde das Trio nach dem berüchtigten Gesinnungsparagrafen 129 b StGB wegen »Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung« verurteilt. Damit endete der Prozess nach rund zweieinhalb Jahren, welche die Angeklagten in Untersuchungshaft verbrachten. Die Zeit der Untersuchungshaft wird von der Reststrafe abgezogen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, sowohl die Angeklagten als auch der Generalbundesanwalt können Revision einlegen, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hätte.
Den Aktivisten wird vorgeworfen, in verschiedenen leitenden Funktionen, etwa als Regionsverantwortliche, für die antiimperialistische Organisation tätig gewesen zu sein. Die 43jährige Emre soll im zentralen Pressebüro der DHKP-C in Amsterdam gearbeitet haben. Eine Tätigkeit als Deutschland-Verantwortliche der Gruppe konnte das Gericht ihr aber nicht nachweisen.
Der Vorsitzende Richter begründete das Urteil mit der angeblichen Gefährlichkeit der DHKP-C und deren auch bewaffnetem Kampf gegen den türkischen Staat. Laut Bundesgerichtshof gebe es kein Widerstandsrecht gegen die Erdoğan-Regierung – dieser Rechtsprechung müsse und wolle das Gericht folgen. Laut Bachler müsse die »nichtrechtstaatliche Ordnung« in der Türkei gewaltfrei bekämpft werden. Wie die linke Opposition dies angesichts überquellender Gefängnisse und systematischer staatlicher Gewalt bis hin zu Ermordungen bewerkstelligen sollte, erklärte der Richter in seinen Ausführungen nicht.
Die angesichts von knapp 30 anwesenden Justizbeamten offensichtlich erwarteten Tumulte nach der Urteilsverkündung blieben aus. Statt dessen richteten sich Emre und Cibelik mit kurzen Reden an die Unterstützer im Gerichtssaal. Die Repression werde sie nicht brechen und es gebe ein Recht darauf, den türkischen Faschismus zu bekämpfen. Wie andere faschistische Regime in der Geschichte werde auch dieses fallen.
Das Publikum antworte mit dem Slogan »Devrimci tutsaklar onurumuzdur« (Die revolutionären Gefangenen sind unsere Würde, jW) und sang Passagen des Grup-Yorum-Liedes »Haklıyız kazanacağız« (Wir sind im Recht, wir werden siegen, jW), bevor es den Gerichtssaal verlassen musste und die verbliebenen zwei Inhaftierten nach kurzen Gesprächen mit ihren Angehörigen abgeführt wurden.
Vor dem Gerichtsgebäude fanden wie in der Vergangenheit vor und nach dem Prozesstermin Kundgebungen statt, auf denen die Freilassung der politischen Gefangenen gefordert wurde. Die Kampagne für Emre und Cibelik werde auch nach der Verurteilung fortgesetzt, erklärte ein Sprecher und forderte die Abschaffung der Paragrafen 129,129a und 129 b.
Dass die Strafen niedriger als in anderen DHKP-C Prozessen ausgefallen seien, sei auf die kontinuierlichen Proteste, darunter auch Hungerstreiks, zurückzuführen, resümiert Sena Erkoç, Solistin der populären linken Band Grup Yorum, im Gespräch mit jW. Auch die Prozessbeobachtung hätte politischen Druck entfalten können.
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