Le Pen vor Gericht: Gefängnis und Verlust des Wahlrechts gefordert
Von Hansgeorg HermannDer 13. November wird nicht nur Marine Le Pen unvergesslich bleiben. An jenem Mittwoch vor zweieinhalb Wochen verlangten die beiden Staatsanwälte Nicolas Barret und Louise Neyton eine Strafe für die berühmt-berüchtigte Angeklagte, die – sollte es ein entsprechendes Urteil geben – wohl das abrupte politische Ende der langjährigen Anführerin der extremen Rechten Frankreichs bedeuten würde. Fünf Jahre Haft, davon drei auf Bewährung, 300.000 Euro Geldstrafe und fünf Jahre Verlust des aktiven Wahlrechts. Für ein mutmaßliches Delikt, das die Justiz vage mit »Veruntreuung öffentlicher Gelder und Beihilfe dazu« beschreibt. Übersetzt: Le Pen soll während ihrer Zeit im EU-Parlament (Steuer-)Geld zur Bezahlung nicht existierender (fiktiver) Assistentenstellen in Höhe von mehr als drei Millionen Euro eingestrichen und damit zu Hause die leeren Kassen ihrer Partei Rassemblement National (RN, damals noch Front National, FN) aufgefüllt haben.
Verkünden will das Pariser Berufungsgericht sein Urteil am 31. März. Bis dahin mindestens wird die gegenwärtige Vorsitzende der RN-Fraktion in der Nationalversammlung noch ein entscheidendes Wort mitzureden haben bei der Entscheidung, ob ihre Leute den bürgerlich-rechten Regierungschef Michel Barnier noch weiter wie einen Tanzbären durch das Parlament führen und dessen politische Ohnmacht täglich sichtbar machen wollen, oder ob sie ihn am Mittwoch per Misstrauensvotum einfach stürzen. Der Antrag liegt vor und wartet auf Abstimmung.
In ihrem eigenen Interesse und dem ihrer Partei, heftig gefordert von der RN-Basis, wäre das schon. Sollte dem Sturz der Regierung sogar der Rücktritt des Staatschefs folgen – was zwar zwei Drittel der Franzosen fordern, Emmanuel Macron bisher aber ausschließt – müsste ein neuer Präsident gewählt werden. Innerhalb eines Zeitraums von mindestens 20 und von höchstens 35 Tagen, so schreibt es der Artikel 7 der französischen Verfassung vor. Ein, rein theoretischer, Ausweg für Marine Le Pen? Als gewählte Präsidentin würde sie von der geltenden verfassungsrechtlichen Regelung profitieren, die dem oder der Staatschef/in totale strafrechtliche Immunität garantiert. Nicht von ungefähr fordern sie und ihre elf Millionen Wähler seit Monaten Macrons Demission, der eine Wahl mit Le Pen als Favoritin folgen würde.
Das andere Szenario, die Verurteilung und ein von der Staatsanwaltschaft verlangter »provisorischer«, sofort (noch vor einer etwaigen Berufungsverhandlung) wirksamer Verlust des Wahlrechts, beschreiben Le Pens Anhänger schon jetzt vorsorglich als politisch gesteuerte »Waffe für die massive Zerstörung des demokratischen Spiels«. Le Pen selbst spricht von einer »Auslöschung« ihres politischen Lebens. Ihre Anwälte schlugen am vergangenen Mittwoch vor, doch lieber »den Volkssouverän und nicht die Justiz über jene Gerechtigkeit entscheiden zu lassen, die hier in ihrem Namen ausgeübt wird«. Mit anderen Worten: Vorgezogene Präsidentschaftswahlen wären wohl Le Pens Rettung.
Siehe auch
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 29.11.2024
Es gibt keine versehentliche Vergewaltigung
- 27.11.2024
Le Pen vor Gericht
- 25.11.2024
Einschüchterung gescheitert
Regio:
Mehr aus: Schwerpunkt
-
Macron-Dämmerung
vom 02.12.2024