Schlägertrupps unterwegs
Von Reinhard LauterbachDie neue Demonstrationswelle in Georgien hält inzwischen den zehnten Tag in Folge an. Dabei sollen neben der Polizei auch maskierte Schlägertrupps gewaltsam gegen »proeuropäische Demonstranten« vorgehen. Am Samstag abend griffen nach Angaben von dpa Trupps schwarz vermummter Männer Demonstranten und ein Reportageteam eines prowestlichen Fernsehsenders an. Die Reporterin und ihr Kameramann seien mit Gehirnerschütterungen ins Krankenhaus gekommen. Die Polizei ließ den Angaben zufolge die Schläger gewähren, ohne einzugreifen. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens das Vorgehen der georgischen Polizei. Der Versuch der hauptstädtischen Stadtverwaltung, inmitten des Demonstrationsgeschehens eine Neujahrstanne auf dem Rustaweli-Prospekt aufzustellen, erinnert an eine Episode aus der Frühphase des Euromaidan in Kiew vor elf Jahren. Damals hatte ein Polizeieinsatz ebenfalls nicht erreicht, dass der Baum aufgestellt werden konnte.
Zwar richten sich die Proteste in Tbilissi vordergründig gegen die Entscheidung der wiedergewählten georgischen Regierung, die EU-Beitrittsverhandlungen auf Eis zu legen. Dass es bei den Auseinandersetzungen jedoch im Kern darum geht, den russischen Einfluss zurückzudrängen, wird inzwischen auch auf westlicher Seite nicht mehr bestritten. Die prowestliche georgische Staatspräsidentin Salome Surabischwili traf sich am Sonnabend in Paris mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und dem designierten US-Staatschef Donald Trump. Sie erklärte anschließend, das georgische Volk habe in Trump »einen Freund«. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij war ebenfalls zu dem Treffen am Rande der Wiedereröffnung der restaurierten Kathedrale Notre-Dame angereist und brachte den Zweck der Bemühungen auf den Punkt: Es müsse darum gehen, Russland die Kontrolle über die Schwarzmeerregion zu entreißen. In der vergangenen Woche hatte die Ukraine Sanktionen gegen Mitglieder der georgischen Regierung verhängt. Baltische Politiker drängen die EU, ebenfalls Sanktionen zu beschließen.
In Russland wird zuletzt kaum noch über die Entwicklung in Georgien berichtet. Es sind vor allem russischsprachige westliche und ukrainische Medien, die das Thema weiterverfolgen. Ähnlich wortkarg sind auch die Meldungen in russischen Medien zur Entwicklung in Syrien. Moskau scheint noch keine Sprachregelung gefunden zu haben, wie es mit den neuen Situationen in beiden Ländern umgehen soll. Es gebe keine russischen Touristen in Syrien, deshalb könne ihnen auch dort nichts geschehen, heißt es in einer Mitteilung des Außenministeriums – das macht nicht den Eindruck, als habe die russische Botschaft in Damaskus verlässliche Informationen. Den Sturz von Baschar Al-Assad akzeptiert Russland offenbar als gegebene Tatsache. Das Moskauer Außenministerium teilte mit, Russland sei an den Absprachen über Assads Rücktritt und Flucht nicht beteiligt gewesen. Außenminister Sergej Lawrow hatte noch am Sonnabend bei einem Treffen mit Vertretern Irans und der Türkei in Doha erklärt, den »Terroristen dürfen keine Geländegewinne gewährt« werden.
Die Möglichkeiten Russlands, auf das politische Geschehen in Syrien einzuwirken, sind aus objektiven Gründen äußerst begrenzt: Ohne die Möglichkeit der Passage durch Bosporus und Dardanellen – die für russische Kriegsschiffe von der Türkei gesperrt wurden – ist die Präsenz der im syrischen Hafen von Tartus stationierten russischen Mittelmeerflottille nur noch von symbolischem Wert. Wie lange Russland seinen dortigen Stützpunkt noch aufrechterhalten kann, ist mit der Veränderung der Kräfteverhältnisse in Damaskus völlig unklar. Mit dem Sturz des syrischen Präsidenten ist Moskau der innersyrische Ansprechpartner abhanden gekommen. Meldungen über Plünderungen in der Stadt Latakia – im Herzen des Siedlungsgebiets der alawitischen Minderheit, zu der Assad gehört, illustrieren das drastisch. In welchem Umfang die neuen Machthaber bereit sind, die russische Präsenz zu akzeptieren, bleibt zu beobachten.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (8. Dezember 2024 um 23:17 Uhr)Es »macht nicht den Eindruck, als habe« nur »die russische Botschaft in Damaskus« keine »verlässliche Informationen«. Ich habe den Eindruck, dass ziemlich viele andere Leute auch keine haben …
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