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Aus: Ausgabe vom 07.12.2024, Seite 11 / Feuilleton
Jazz

Um den Finger gewickelt

Klangskulpturen: Jeff Parkers neues Album »The Way Out of Easy«
Von Andreas Schäfler
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Staunenswert: Jeff Parkers ETA IVtet

Einer der umtriebigsten Anreger auf dem Gebiet der improvisierten Musik ist seit langem der Gitarrist Jeff Parker. Im Dunstkreis der Chicagoer Freejazz-Initiative AACM vor einer halben Ewigkeit gestartet, hat er uns schon in den 1990er Jahren als Mitglied der Postrock-Band Tortoise eigensinnige Klänge eingeträufelt. Seit 2013 operiert er hauptsächlich von Los Angeles aus, gehört zur Kohorte um das innovative Label International Anthem und arbeitete unter anderem mit dessen Protagonistinnen bzw. Protagonisten Jaimie Branch und Makaya McCraven zusammen. Nimmt man noch seine aktuellen Nebenprojekte dazu, ergibt sich eine leicht beängstigende Omnipräsenz, tatsächlich aber beschränkt sich Parker oft auf eine Rolle als Katalysator im Hintergrund.

In seinem eigenen ETA IVtet wechselt er Spielstile und Klangfarben wie ein Chamäleon. Mal zupft und frickelt er gleichsam selbstvergessen vor sich hin, um dann plötzlich eine rasante Jazz-Phrase einzuflechten, mal verschanzt er sich im Klangbild des Quartetts, bevor er unvermittelt mit verstörenden Samples um die Ecke kommt. Wie schon das vielgelobte Album »Mondays at the Enfield Tennis Academy« ist auch »The Way Out of Easy« ein Livemitschnitt aus dem Club in L. A., dessen Name auf David Foster Wallaces Roman »Unendlicher Spaß« zurückgeht. Zum IVtet gehören nach wie vor Josh Johnson (Saxophon), Anna Butterss (Bass) und Jay Bellerose (Schlagzeug), doch ihre Anfänge als eigenwillige Coverband haben sie nun endgültig hinter sich gelassen.

Das neue Album enthält vier lange minimalistische Tracks mit linearen Improvisationen – betörende Geduldsspiele, die einen in aller Ausführlichkeit langsam, aber sicher um den Finger wickeln. In »Freakadelic« baut das Quartett an einem nie ganz definierbaren Soundgebirge, wo die Musik in fremden Zungen sprechen darf. Soll heißen: Hier wird unorthodoxes Instrumentalspiel betrieben, das zusätzlich noch durch etliche Gerätschaften geschickt wird. Doch gerade dann, wenn das Saxophon plötzlich nach Akkordeon klingt oder die Gitarre beinahe zur Zither mutiert, sind auch allzu menschliche Eigenschaften wie Übermut und Ironie im Spiel. Sobald also ein leichter Ambient-Verdacht aufkommt oder sich gar eine Idylle einzuschleichen droht, wird es gleich wieder turbulent. In »Late Autumn« entsteht aus einem nackten Saitengeklimper, das erst wie ein Echo von Parkers Soloplatte »Forfolks« anmutet, eine raumgreifende Instantkomposition. Beschlossen wird das Album mit einem viertelstündigen Aufenthalt im überwältigenden »Chrome Dome«.

Jedes Stück lebt von der Unerschöpflichkeit eines kleinen Ausgangsmotivs. In einem neugierigen, aber immer vorsichtigen Gemeinschaftsprozess kon­struiert die Band daraus mehrdimensionale Klangskulpturen und richtet sich behaglich darin ein. Parker agiert, als wäre er Architekt, Statiker und Hausmeister in einer Person, Johnson öffnet alle Fenster und lässt Durchzug rein, Bellerose misst die Räume bis in ihre hintersten Winkel aus, während Butterss emsig (und bei ihrem einzigen Solo in »Easy Way Out« bestechend elegant) die Kellertreppe auf und ab spaziert.

Sehr zu empfehlen ist übrigens auch »Mighty Vertebrate«, das jüngste eigene Album der Bassistin, das sie mit Gregory Uhlmann (Gitarre), Ben Lumsdaine (Schlagzeug) und wiederum Josh Johnson am Saxophon eingespielt hat. Hier streift Butterss den Status der Begleiterin ganz selbstverständlich ab und bestimmt mit E- und Kontrabass, mit Gitarre und Synthesizer die Gesamtstruktur. An den Instrumenten und Effektgeräten macht diese Band sich so unbefangen zu schaffen, als wären es Spielzeuge im Kinderparadies.

Zurück zu »The Way Out of Easy«, dessen Livesound von Tontechniker Bryce Gonzales ungefiltert mitgeschnitten wurde: Es ist, als säße man auf dem besten Platz dieses Clubs, den die Band über sieben Jahre hinweg bis zu seiner Schließung Ende 2023 fast wöchentlich bespielt und so zu einer ausgewogenen Reife gefunden hat. Die Musik von Jeff Parkers ETA IVtet ist – warum soll man es nicht wahrheitsgetreu hinschreiben – staunenswert und unwiderstehlich schön.

Jeff Parker & ETA IVtet: »The Way Out of Easy« (International Anthem/!K7/Indigo)

Anna Butterss: »Mighty Vertebrate« (International Anthem/!K7/Indigo)

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