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Aus: Ausgabe vom 16.12.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kunst

Neulich in der Wut-Kapelle

Zwischen Kunstgewerbe und Propaganda: Nadeschda Tolokonnikowa von Pussy Riot wird in Linz als Konzeptkünstlerin verkauft
Von Florian Neuner
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Endlich im Museum: Das Phänomen Pussy Riot

Mehr als zwölf Jahre liegt es inzwischen zurück, dass die Aktivistinnengruppe Pussy Riot einen Gottesdienst in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale mit einem sogenannten Punkgebet störte. Die darauffolgende Verhaftung und Verurteilung der Frauen mit den bunten Sturmhauben war für die veröffentlichte Meinung in EU-Europa der endgültige Beweis, dass Russland unter Putin zu einer finsteren Diktatur mutiert war. Denn würde eine vergleichbare Störaktion etwa während eines Hochamts im Kölner Dom oder in Notre-Dame zu Paris stattfinden, gewiss würde niemand einschreiten, niemand würde verhaftet werden, und der Kardinal würde vermutlich sogar noch Beifall klatschen … Die Damen vom russischen »Mösenaufstand« leben mittlerweile im Westen und gut von ihrer Gegnerschaft zur russischen Regierung. Jetzt hat das OK (Offenes Kulturhaus) im oberösterreichischen Linz Nadeschda Tolokonnikowa (in Linz durchgehend »Nadya Tolokonnikova«), einer der Gründerinnen des Kollektivs, die erste Museumsausstellung ausgerichtet.

Daran, dass auf den Biennalen und in den Museen der westlichen Welt Kunst gehypt wird, die sich im aktuellen militärischen Konflikt parteiisch gegen Russland und für die Ukraine engagiert und also propagandistisch die Narrative der »westlichen Wertegemeinschaft« transportiert, hat man sich inzwischen ja gewöhnt. Wenn Tolokonnikowa von den Kuratorinnen Michaela Seiser und Julia Staudach aber als Konzeptkünstlerin und Performerin verkauft wird, ist das eine Anmaßung, die jeder leicht durchschaut, der sich auch nur oberflächlich mit Gegenwartskunst beschäftigt hat. Die unerheblichen Arbeiten bewegen sich zwischen Kunstgewerbe und Agitpropkitsch. Wenn der Begleittext zur Ausstellung davon schwadroniert, dass es dieser Kunst um die »Verschmelzung von Kunst und Leben bzw. die Überwindung der Kunst zugunsten eines Lebens im Revolutionszustand« gehe und Tolokonnikowa auf den Spuren der Situationisten wandle, meint man, sich verlesen zu haben.

Gezeigt wird die »Rekonstruktion« einer Gefängniszelle, von Monitoren flimmern Videos als Dokumentation von Pussy-Riot-Aktionen. Natürlich haben die Aktivistinnen inhaltliche Punkte, wenn sie gegen die Verquickung von Staatsmacht und Kirche und für das Recht auf Abtreibung auftreten – nicht nur in Russland sind das relevante Themen. Künstlerisch umzusetzen vermag Tolokonnikowa all das allerdings nicht. In einer ehemaligen Kapelle auf dem Vorplatz des Ausstellungshauses sind drei kostümierte Sexpuppen zu sehen. Ein »Symbol weiblichen Widerstands« soll das sein, was die mit Kampfmonturen und Teufelshörnern karnevalesk kostümierten Puppen freilich nicht einlösen. Viel Rot und Schwarz auch auf den Bildwerken, die auf Ikonen anspielen und auf denen ebenfalls die unvermeidlichen Sturmhauben zu sehen sind – fades Kunstgewerbe in einem abgedunkelten Raum, der als »Rage ­Chapel« firmiert.

»Mörder« steht auf Russisch und Englisch auf großen Bannern, die zusammen mit Kerzen und einem Porträtfoto eine Gedenkstätte für den »Freund und Kollegen« Alexej Nawalny bilden. Für Linz hat Tolokonnikowa auch ein »Damokles-Schwert« gebastelt, das über den Besuchern schwebt – und die prekäre Situation von Künstlern und Aktivisten in Russland symbolisieren soll. Das zentrale Werk der Ausstellung aber ist ein »Putin-Mausoleum«, in dem das Video »Putin’s Ashes« gezeigt wird. In dem geschmacklosen Filmchen tritt eine Gruppe von Frauen zu pathetischer Kitschmusik in Reizwäsche und mit Sturmhauben auf und zündet ein überlebensgroßes Putin-Bild an. Neben dem Knopf, der den Prozess in Gang setzt, ist zu lesen: »This button neutralizes Vladimir Putin.« In Vitrinen sind Fläschchen mit »Putins Asche« zu 30 oder auch 100 Gramm ausgestellt, der Ertrag der Verbrennung. Um die Primitivität dieser Aggro-»Kunst« zu ermessen, genügt das Gedankenexperiment, wie es wohl ankommen würde, wenn »umstrittene« Politiker der Gegenwart, die derzeit nicht auf der EU-Feindesliste stehen, auf diese Weise symbolisch neutralisiert würden und ob diese Werke dann auch monatelang in Österreich gezeigt werden könnten.

»Rage. Nadya Tolokonnikova/Pussy Riot«, im OK Linz, OK-Platz 1, bis 6. Januar 2025

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