Krisen außer Kontrolle
Von Holger Czitrich-StahlMit Blick auf die drei ostdeutschen Landtagswahlen im September schreibt Georg Fülberth im neuen Heft der Zeitschrift Marxistische Erneuerung, die AfD sei zum »zum wichtigsten Machtfaktor im parlamentarischen System geworden«. Sie präge die politische Agenda, indem sie die Migrationspolitik zum Dauerthema macht und die regierenden Parteien vor sich her treibt. Gegen sie seien nur noch Negativkoalitionen möglich. Mit der Koalition aus SPD und BSW in Brandenburg ist politisches Neuland betreten worden, ähnlich ist es in Thüringen. Die Repräsentationslücke und -krise im Osten Deutschlands ist zu einer Krise der Regierbarkeit geworden, schließen Volker Külow und Ekkehard Lieberam an. Die Partei Die Linke ist noch tiefer in eine Existenzkrise gerutscht, weil eine grundlegende Strategiedebatte bisher ausgeblieben sei, so ihr Urteil über eine Partei, die im Osten noch vor zehn Jahren als »Volkspartei« galt.
Der Heftschwerpunkt »Rechtsentwicklung – historische und internationale Aspekte« umfasst sechs Beiträge. Unter der übergreifenden Themenstellung »Krise der Herrschaft und Rechtsentwicklung« betrachtet Phillip Becher die Krise des Herrschaftssystems. Unter Bezugnahme auf den Historiker Reinhard Opitz plädiert er für eine Zuordnung all jener Kräfte zur Rechten, die hinter »den bereits erreichten Realisationsgrad von Demokratie« zurückfallen. Bündnisse aller Gegenkräfte gegen diese Rechtsentwicklung und für den Frieden unter Einschluss aller sozialliberalen Kräfte seien eine gebotene Antwort. Auf ihn folgt Gerd Wiegel, der den Gründen für den Aufstieg der »modernisierten Rechten« nachgeht. Der Neoliberalismus habe eine Vielfachkrise erzeugt, über die er die Kontrolle verloren habe. Die Rechte schließe daran an, indem sie Bedürfnisse nach Sicherheit und Steuerbarkeit aufnimmt und sie mit einem autoritären Politikangebot verknüpft, das immer breitere Akzeptanz findet, nicht zuletzt bei Teilen der etablierten Parteien selbst. Ingar Solty blickt in diesem Kontext auf die Rechtsentwicklung in den USA, Andrès Musacchio setzt sich mit dem argentinischen Präsidenten Milei auseinander. Sabine Kebir wiederum untersucht den Aufstieg von Giorgia Meloni in Italien. Diese drei Beispiele könnten auf Szenarien hindeuten, in denen auch eine AfD an die Regierung gelangen könnte. Darauf blickt Cornelia Hildebrandt.
Zeitschrift Marxistische Erneuerung, Nr. 140 (Dezember 2024), herausgegeben vom Forum Marxistische Erneuerung e. V. und dem IMSF e. V., 224 Seiten, Einzelheft 10 Euro, Kontakt: redaktion@zme-net.de
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