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Aus: Ausgabe vom 20.12.2024, Seite 2 / Inland
Völkermord an den Armeniern

»Viele fürchten bis heute, offen zu sprechen«

Über familiäre Traumata, der Suche nach armenischer Identität und den Kampf um kollektive Erinnerung. Ein Gespräch mit Adil Demirci
Interview: Henning von Stoltzenberg
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Mesut Ethem Kavalli schickt seinen Protagonisten auf die Suche nach einer verlorenen Identität (Premiere in Köln, 19.1.2025)

Ihr neuer Film trägt den Titel »Asadur«. Worum geht es in Ihrem aktuellen Projekt?

Unser Film erzählt die bewegende Geschichte eines Mannes aus Malatya in der Türkei, der sich im fortgeschrittenen Alter auf die Suche nach seinen armenischen Wurzeln begibt. Asadur steht dabei stellvertretend für viele Armenier, deren Identität und Herkunft über Generationen hinweg unterdrückt wurden. Der Film beleuchtet auch die langfristigen Auswirkungen des Völkermords an den Armeniern auf individuelle und kollektive Identitäten. Besonders wichtig war es uns, den Kampf um Erinnerung und die anhaltende Leugnung dieses historischen Verbrechens darzustellen. Gleichzeitig werfen wir einen Blick auf die Geschichte und Kultur der Region Malatya, die eine zentrale Rolle in der Erzählung spielt.

Was hat Sie dazu inspiriert, die Geschichte von Asadur in einem Film festzuhalten?

Unser Team ist sehr vielfältig und umfasst unter anderem den armenischen Journalisten Alexis Kalk sowie den Autor und Drehbuchautor Mesut Ethem Kavalli, die beide seit Jahren intensiv zum Thema arbeiten. Die Inspiration für das Filmprojekt entstand vor allem durch Begegnungen mit Menschen wie Asadur, deren Lebensgeschichten von unterdrückter Identität und den Traumata ihrer Familien geprägt sind. Uns war es ein zentrales Anliegen, diesen Kampf um Erinnerung und Identität filmisch zu dokumentieren, um auf das fortdauernde Erbe des Völkermords und dessen Auswirkungen aufmerksam zu machen.

Welche Herausforderungen gab es bei der Recherche und Produktion des Films?

Die größte Herausforderung bestand darin, Zugang zu den Geschichten und Orten zu erhalten, ohne die Sicherheit der Beteiligten zu gefährden. Viele Menschen haben bis heute Angst, offen über diese Themen zu sprechen. Auch die emotionale Belastung während der Gespräche mit Familien von Überlebenden war enorm, da das Trauma immer noch sehr präsent ist. Während unserer Recherchen stießen wir außerdem auf die Archive des armenisch-katholischen Klosters San Lazzaro degli Armeni in Venedig, die einen unglaublichen Schatz an historischen Dokumenten bergen. Diese Entdeckung war jedoch zu umfangreich. Das Thema haben wir uns für eine künftige Dokumentation aufgehoben.

Welche Botschaft möchten Sie mit diesem Film weitergeben?

Es ist entscheidend, die Vergangenheit anzuerkennen – auch wenn sie schmerzhaft ist. Nur durch Erinnerung und Verständnis können wir eine Grundlage für Versöhnung und eine gemeinsame Zukunft schaffen. Besonders für junge Menschen möchten wir die Wichtigkeit betonen, für die Wahrheit einzutreten und die Geschichten ihrer Vorfahren zu bewahren.

Wann hat Ihr Film Premiere?

Die findet am Sonntag, dem 19. Januar 2025, im Filmhaus Köln statt – am Jahrestag der Ermordung des armenischen Journalisten Hrant Dink. Im Anschluss an die Vorführung wird es eine Gesprächsrunde mit Alexis Kalk, Mesut Ethem Kavalli und Raffi Kantian, dem Vorsitzenden der Deutsch-Armenischen Gesellschaft, geben. Dabei werden wir nicht nur über den Film sprechen, sondern auch über die Situation der armenischen Waisenkinder und deren historische sowie gegenwärtige Bedeutung. Wir freuen uns darauf, den Film an verschiedenen Orten zu zeigen und mit dem Publikum in den Austausch zu treten.

Welche weiteren Filmprojekte planen Sie für das kommende Jahr?

Als Kölner Menschenrechtsverein arbeiten wir derzeit an mehreren Filmprojekten zu den Themen »politische Gefangene« und »Migration«. Darüber hinaus unterstützen wir auch das Filmprojekt »30 Years of Kardeş Türküler«. Dieser Film erzählt die außergewöhnliche musikalische und politische Reise von Kardeş Türküler, einem 1993 im Folkloreklub der Boğaziçi-Universität gegründeten Projekt. Die Dreharbeiten wurden 2012 von dem renommierten Regisseur Çayan Demirel begonnen, mussten jedoch aufgrund eines schweren gesundheitlichen Rückschlags unterbrochen werden. Seitdem hat die Regisseurin Ayşe Çetinbaş gemeinsam mit dem Team der Surela-Filmproduktion die Arbeit an dem Film fortgeführt. Um das Projekt fertigzustellen, wurde eine Spendenkampagne auf der Plattform Startnext ins Leben gerufen.

Adil Demirci ist Filmemacher aus Köln und Vorsitzender des Vereins »Stimmen der Solidarität«

Mehr zum Film unter: www.asadur.com

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