Weihnachten mit Opa Lötchen
Von Pierre Deason-TomoryIm fränkischen Fürth, Ortsteil Bodaggnschbeim, erholt sich Familie Bruder beim Kaffee im Wohnzimmer vom traditionellen Panikeinkauf am Mittag des Heiligen Abends.
Mutter: Probier ma von die Kekse, Oma.
Oma: Danke, aber nein danke. Deine Kekse sind unjenießbar.
Mutter: Du hastse gar nich probiert!
Oma: Wennse doch unjenießbar sind! Warum kannst du nich backen, Kind? Wat hab’ ick da nur falsch jemacht.
Tochter: Nichts, Oma, du bist unfehlbar.
Oma: Wir zwei halten zusammen, wa?
Tochter: Natürlich, Oma. Ich habe die Absicht, Heiligabend zu überleben.
Oma: Pass uff, watte sachst, Freundchen, sonst kannste Weihnachten aufm Zimma vabring.
Tochter: Mein Zimmer ist besetzt.
Oma: Von wem?
Tochter: Von Vater.
Oma: Wat macht dein Vadda in deim Zimma?
Tochter: Er hat sich eingesperrt.
Oma: Wieso?
Tochter: Weil es das einzige Zimmer mit Aschenbecher ist. Wo ist eigentlich Opa?
Oma: Lenk nich ab. Wieso hat sich Vadda in deim Zimma einjesperrt?
Tochter: Weil ich es nicht woher gemacht habe. Wo ist Opa?
Mutter: Im City Center hat’ ick ihn noch.
Oma: Geh mal im Auto nachsehen.
Die Mutter geht hinaus, kommt mit einem etwas steifen alten Mann wieder und setzt ihn auf einen Stuhl.
Oma: Wat haste im Auto jemacht bei die Kälte, Lötchen? Lothar? – Der sacht schon wieda nüscht.
Mutter: Lass ihn doch ersma auftauen.
Oma: Auftauen! Jenau! – Jeh ma nach der Gans kieken, Kind, ob se uffjetaut is.
Mutter: Wo?
Oma: Na im Ofen, wo sonst, du Huhn.
Mutter geht in die Küche, kommt zurück: Die is da nich drin.
Oma: Haste die Gans nich aus der Kühltruhe jeholt?
Mutter: Wieso icke? Ick darf doch an Weihnachten imma nich kochen.
Oma: Lenk nich ab. Und scheiß auf die Gans, Oma lädt euch später auf ’ne Pizza ein.
Die drei Frauen sehen durch die offene Zimmertür den Vater wortlos von links nach rechts durch den Gang gehen. Die Kellertür schließt. Dann trägt der Vater einen Bierkasten von rechts nach links und knirscht die Treppe nach oben.
Oma: Hatta jefurzt? Der hat jefurzt!
Tochter: Das war die Treppe.
Oma: Haste jehört, Lötchen, dein Schwiegersohn is ooch da. Lothar? – Der sacht imma noch nüscht.
Tochter: Guck mal genau hin. Das ist nicht Opa.
Oma: Tatsache!
Mutter: Ick dachte gerade draußen ooch erst: Der sieht ja janz anders aus!
Oma: Sagense mal, wo kommen Sie denn jetzt her? Nu sagense doch ma wat! Hamwa Sie vertauscht, Großvadda?
Mutter: Als ick ihn im Bällebad abjeholt habe, hatta ausjesehn wie sonst! Wat machen wa nu mit dem? Der sacht ja imma nüscht!
Oma: Der sitzt da erstma jut. Mach ma neuen Kaffee, Kind!
Der Vater oben im Kinderzimmer am Telefon: Wos ich grod mach? Rauchn, Bier saufn und wadden, dass Waihnachdn vorbaigehd.
Sein Freund »Fitzi« Vitzthum fragt: Im Kinderzimmer?
Vater: Wecha die Weiber. Des Waihnachtsfest ist die Verdinglichung der Allmacht des Maddriarchads!
Fitzi: Und deswegen hoggst du im Kinderzimmer?
Vater: Des hod an Aschnbecher und an Schlüssl. Ich bleib do, bis sich der Pulferdampf verzohng hat. Die Braißnbaggasch do unten macht aus Waihnachten immer an Nahostkriech.
Fitzi: Du arme Sau.
Vater: Wie isn des bei dir? Macht dei Alde Stress?
Fitzi: Bei uns basst alles. Friede auf Erden, Eierlikör!
Unten im Wohnzimmer schenkt die Mutter Oma und Tochter Kaffee ein.
Tochter: Ich frage mich, wo Opa gerade ist. Der braucht seine Tabletten, sonst wird er komisch.
Oma: Der Opa hier is ooch komisch, der sacht immer nüscht.
Tochter: Das ist nicht komisch, das ist klug. Vater sagt auch immer nichts, so kriegt er am wenigsten von dir ab.
Oma: Du fliechst würklich gleich in dein Zimma.
Tochter: Da ist immer noch besetzt.
Oma: Besetzt! Jenau! – Kind, haste ma uffm Klo nachjesehn?
Mutter: Nee.
Oma: Na dann jeh!
Die Mutter geht und kommt gleich wieder zurück: Wonach soll ick nachsehn uffm Klo?
Oma: Na, ob Opa da is.
Mutter: Ach ja, Opa …
Mutter kommt zurück: Der is nich da. Die Gans ooch nich.
Oma: Wat soll die Gans uffm Klo?
Mutter: Na, ick dachte, wenn Opa uff Klo sein kann, kann och die Gans uffm Klo sein, oda nich?
Oma: Da siehste ma, missratenet Enkelkind: Du hast den Verstand von deiner Mutta. Dein Vadda hat ihn noch.
Mutter: Dit versteh’ ick nich.
Oma: Is normal. Ohne Verstand verstehste nüscht.
Die Türklingel geht, die Großmutter springt auf: Wer jeht ner anständjen deutschen Familie uffm Senkel, wenn se am Heiljen Ahmd friedlich zusammensitzen tut!
Draußen steht Frau Vitzthum, neben sich einen Kasten Bier: Gudn Ahmd. Is grod ungüsdich?
Oma: Kann man so sajen, Frau vom Fitzimus! Is Weihnachten!
Frau: Ich will a gor ned lang störn, ich war nur grod in der Gechend …
Oma: Mit ’ner Bierkiste inner Hand.
Frau: Die wär für den Herrn Bruder. Ist der zu sprechen?
Oma: Jehnse die Treppe da hinten nach oben. Wennse ihn finden, könnse ihn behalten. Apropos: Wollnse noch ’nen neuen Opa? Wir haben gerade einen jünstich abzujeben …
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