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Aus: Ausgabe vom 09.01.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kakanien heute

Willkommen Österreich

Der Kanzler der Habsburger Herzen oder: Wie man den Dritten Weltkrieg entfesselt
Von Pierre Deason-Tomory
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»Ich bräuchte noch etwas Schlagobers auf Goldbrokat, zum Beispiel einen Titel von einem Habsburger Faschingsprinzen. Ich muss schließlich Österreicher beeindrucken«

Sehr geehrter Herr Erzherzog Joseph Árpád von Habsburg-Lothringen,

möge in Ihrem Exil niemals die Sonne untergehen, ich komme gleich zur Sache. Bitte nehmen Sie mich in Ihren famosen ungarischen Ritterorden auf. Bei dem, was ich vorhabe – es geht ums Vaterland! – brauche ich einen vernünftigen Titel. Und für Sie könnte auch etwas dabei herausspringen.

Zu meinem Vorhaben. Diese Kretins in Wien haben unverhofft eine Möglichkeit eröffnet, das ewige Österreich-Ungarn endlich zu erlösen. Dazu bräuchte ich ein bisserl Schlagobers auf Goldbrokat, zum Beispiel einen Titel von einem Habsburger Faschingsprinzen. Ich muss schließlich Österreicher beeindrucken.

Von Ihnen bekränzt werde ich Bundeskanzler der Republik Österreich. Ich muss mich damit beeilen, FPÖ und ÖVP teilen gerade das Land, die Presse und das Geld unter sich auf. Meine Methode? Schuschnigg 1934, Putsch. Ultras von Sturm Graz besetzen die Wiener TV-Sender, und Klimakleber verkleben die Tore der Kasernen. Bis das Bundesheer die Tür aufkriegt, bin ich schon auf der Burg und halte eine Fernsehansprache.

Darin rufe ich das Volk zu meiner Unterstützung auf die Straße und verspreche: kostenlosen Nahverkehr für alle und für alle Arbeitslosen einen Job als Fahrkartenknipser. Das dumpfe Bürgertum blende ich mit Größenwahn, ich bin immerhin ein Ritter von Tomory und kein Herbert Kickl, einer, der Österreich wieder groß macht. Ganz wie früher, ein bisserl Sisi in Hódmezővásárhely, und auf der Ringstraße fliegen die Hüte in die Luft.

Um meine Macht zu konsolidieren, werde ich die Steuern stark senken, die Unternehmen beschenken und gleichzeitig den Haushalt sanieren. Wie ich das bezahlen will? Salzburg verkaufen. An die USA. Trump wird daraus eine Freilichtcasino mit Bordellburg machen. Für die Linken ein bisschen gefühlte Politik: Beim Bundesheer wird mit Mozartkugeln geschossen, die Hofreitschule wird zugeschlossen (und an ihrer Stelle eine Pferdemetzgerei eröffnet). Danach lasse ich wählen, siege erdrutschartig, und es folgt der entscheidende Schritt: die Wiedervereinigung von Österreich-Ungarn!

Orbán wird sich sträuben, ich werde ihm Aufnahmen von seinen Bunga-Bunga-Partys in Trumps Salzburger Bordellburg zeigen, fertig. Jetzt kommen Sie ins Spiel, Hoheit. Bis zur endgültigen Einsetzung eines Habsburgers als Kaiser und König – die ich freilich hintertreiben werde – haben wir, Ihr untertänigster Diener, die Aufgabe, als Reichsverweser die Doppelmonarchie zu regieren. Unser Titel wird sein Admiral Tomory – dass das neue Österreich-Ungarn kein Meer hat, macht nichts, Admiral Horthy hatte auch keins. Aber das wird schon, wir holen uns Kroatiens Küste, mit Trumps Hilfe.

Irgendwann sind die Serben dran, die gewinnen wir dadurch, dass wir die Seiten wechseln und Reparationen fordern von den USA und ihrer Bagage wegen der Verwüstungen 1999 in Jugo­slawien. Trump lacht uns aus, also pfänden wir sein Salzburger Bumsimperium, was kann schon passieren. Ja, er könnte überreagieren. Atombomben auf den Prater. Aber auf ein solches Niveau werden wir uns nicht herablassen. Wir werden als Gegenschlag sein Salzburg mit Gülle fluten und Manhattan mit der Gulaschkanone bombardieren. Und so weiter. Wir müssen einräumen, das ist noch nicht ganz zu Ende gedacht, aber wir setzen Ihre Zustimmung voraus und kommen am Sonntag gegen Mittag zum Ritterschlag vorbei. Sollten Sie noch Zweifel haben, bedenken Sie: Wenn statt unser der Bauer Kickl Kanzler wird, wiederholt sich die Geschichte als Farce. Wir dagegen können Operette!

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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