Wirkmächtige junge Welt
Von Dietmar KoschmiederZum Wertewesten gehören angeblich Meinungs- und Pressefreiheit, das wird zumindest von führenden Politikern immer wieder vollmundig gepredigt – wenn es ums Ausland geht. Dass Organe der Bundesrepublik Deutschland seit Jahren eine linke, unabhängige Tageszeitung aktiv bekämpfen, ist für sie nicht der Rede wert. Auf einen entsprechenden Appell der betroffenen Tageszeitung junge Welt an die im Bundestag vertretenen Parteien haben nur die Grünen geantwortet (der jungen Welt stehe ja der Rechtsweg offen), die Partei Die Linke wurde aktiv: Über eine kleine Anfrage im Bundestag wollte sie wissen, weshalb in Deutschland nur eine einzige Tageszeitung im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird und was damit beabsichtigt sei. Die Regierung antwortete verblüffend offen: Die Zeitung habe eine Blattlinie, wolle beim Meinungsbildungsprozess mitwirken, nutze marxistische Erkenntnisse bei Themenauswahl und Analyse und vertrete in vielen Punkten Positionen, die sich offensichtlich nicht mit denen der Bundesregierung decken. Mit der gezielten Nennung der Zeitung im Verfassungsschutzbericht als »wichtigstes linksextremes Medium der Bundesrepublik Deutschland« wolle man die Bevölkerung vor dieser Zeitung warnen und damit der jungen Welt »den Nährboden entziehen«.
An diesem Ziel arbeiten deutsche Regierungen seit mehr als 25 Jahren, allerdings mit mäßigem Erfolg. Zwar kann man nicht ausschließen, dass viele potentielle Leserinnen und Leser aufgrund der staatlichen Brandmarkung die Finger von der Zeitung lassen. Nachweisbar ist jedenfalls, dass es Regierung und Geheimdienst immer wieder gelingt, der jungen Welt beim komplizierten Wettbewerb auf dem kapitalistischen Markt der Tageszeitungen große Schwierigkeiten zu bereiten. Trotzdem ist es der jungen Welt als einziger überregionaler Tageszeitung im genannten Zeitraum gelungen, die Zahl der Leserinnen und Leser deutlich zu erhöhen. Denn jeder, der lesen kann und will, jeder, der an kritischer Analyse und von Konzernen unabhängiger Berichterstattung interessiert ist, kann sich selbst vom großen Nutzwert der jungen Welt überzeugen: Eine solche Zeitung, die täglich beschreibt, was ist, die erkennbar macht, wer in wessen Interesse handelt, die Position bezieht gegen Krieg und für internationale Solidarität, gibt es im deutschsprachigen Raum kein zweites Mal. Allerdings muss man wissen, dass es dieses journalistische Angebot überhaupt gibt.
Die junge Welt informiert nicht nur umfassend, sie zeigt auch Wirkung. Nur ein Beispiel von vielen: In einem jW-Beitrag wurde nachgewiesen, dass die KPÖ-regierte Stadt Graz mit dem banderistischen Bürgermeister der ukrainischen Stadt Lwiw zusammengearbeitet und für ein Kulturzentrum mit national-chauvinistischem Programm bereits 25.000 Euro zur Verfügung gestellt hat. Aufgrund der Veröffentlichung in der jungen Welt wurden die zweite und dritte Tranche (insgesamt 50.000 Euro) nach Angaben eines Stadtrats für diesen Zweck nicht mehr überwiesen. Den wachsenden Einfluss der jungen Welt bezeichnet der deutsche Inlandsgeheimdienst aufgeregt als »Wirkmächtigkeit«, sieht darin wachsende Gefahren und erhöht offenbar die Anstrengungen, Meinungs-, Wettbewerbs- und Pressefreiheit für die junge Welt einzuschränken.
Gegen diese Eingriffe in diverse Grundrechte klagt die junge Welt seit fast vier Jahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Das Verwaltungsgericht Berlin hat in erster Instanz das Anliegen der jungen Welt zurückgewiesen mit der absurden Begründung, sie wolle aktiv eine Einparteiendiktatur errichten, weshalb die Einschränkung von Grundrechten durch den Geheimdienst in Ordnung sei. Ein langer Instanzenweg liegt also noch vor der Zeitung. Damit aber Geheimdienst und Regierung nicht ihre Ziele erreichen, bevor ein höchstrichterliches Urteil zustande gekommen ist, kommt es jetzt verstärkt darauf an, den Nährboden dieser Zeitung, also Bekanntheit und Reichweite und den sich daraus ergebenden Abonnements, über die die Zeitung finanziert wird, zu sättigen. Ein Abonnement der jungen Welt nutzt Ihnen also nicht nur ganz praktisch, es stärkt die Zeitung und kontert auch die Angriffe auf die Pressefreiheit!
Die verschieden Möglichkeiten, die jW zu abonnieren finden Sie unter: jungewelt.de/abo
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
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