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Aus: Ausgabe vom 13.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Alternative fürs Kapital

AfD-Parteitag nimmt Abstand vom Dexit
Von Nick Brauns
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Protest gegen den AfD-Parteitag in Riesa am Sonnabend

Auf dem Parteitag der AfD in Riesa wurde deren Vorsitzende Alice Weidel, Vertreterin des offen wirtschaftsliberalen Flügels der Rechtsaußenpartei, per Akklamation zur Kanzlerkandidatin gekürt. Ihr stärker dem völkischen Flügel zuneigender Mitvorsitzender Tino Chrupalla gelobte, der »Frontfrau den Rücken frei« zu halten, denn jetzt gelte es, die 20-Prozent-Marke zu knacken.

Im Entwurf für das Bundestagswahlprogramm vom Dezember hatte es noch geheißen: »Wir halten es für notwendig, dass Deutschland die Europäische Union verlässt und eine neue europäische Gemeinschaft gründet.« Im nun vom Parteitag beschlossenen Programm wird zwar noch am Ausstieg aus dem Euro festgehalten. Gleichwohl fehlt die explizite Forderung nach dem Dexit – dem Austritt aus der EU. Dass die AfD sich hier von einer auf ihre Gründungswurzeln während der Eurokrise 2013 zurückgehende Kernforderung verabschiedet, dürfte der einhelligen Schelte von Unternehmerverbänden und kapitalnahen Wirtschaftsinstituten geschuldet sein.

Der Parteitag votierte zudem für die Trennung von der Jungen Alternative (JA). Dieser Verband, in den auch Nicht-AfD-Mitglieder eintreten dürfen, wird vom Inlandsgeheimdienst als »erwiesen rechtsex­tremistische Bestrebung« eingestuft, was seine Unterwanderung durch V-Leute des Inlandsgeheimdienstes ermöglicht. Durch den Aufbau eines neuen, eng an die Partei angebundenen Jugendverbandes hofft die AfD wohl, sich und ihren radikalisierten Nachwuchs weniger angreifbar zu machen.

Elon Musk, der seit Wochen kräftig die Werbetrommel für die deutsche Rechtspartei rührt, hat auch deren Parteitag auf X ge­streamt. Während der Jubel über diese Wahlkampfhilfe bei vielen wirtschaftsliberalen AfDlern groß ist, zeigt der Flirt von Weidel und Getreuen mit dem US-Milliardär, dass die Partei durch die Hintertür auf transatlantischen Kurs gelotst wird.

Um die in den ostdeutschen Landesverbänden starken völkisch-faschistischen Ultras dennoch bei Laune zu halten, wurde das Wahlprogramm um den von Weidel früher noch skeptisch gesehenen Begriff der »Remigration« ergänzt. Die damit geforderte Ausweisung von Millionen Migranten aus Deutschland findet auch in den gleichermaßen rassistischen Westlandesverbänden Zustimmung.

Tosenden Applaus bekam Weidel übrigens für ihr Versprechen, »Wenn wir am Ruder sind, reißen wir alle Windkraftwerke nieder. Nieder mit diesen Windmühlen der Schande.« Während die AfD-Kanzlerkandidatin vor den Mächtigen kneift und um deren Gunst buhlt, will sie sich gleich Don Quijote mit Windrädern anlegen. Und der völkische Eiferer Björn Höcke, auf den diese Forderung zurückgeht, trottet als moderner Sancho Panza der Wirtschaftsliberalen Weidel hinterher.

Eine Alternative ist die AfD in der Tat: fürs Kapital. Von dem erhofft sich die Partei endlich im größeren Stil Zuwendungen einstreichen zu können. Dafür hat sie sich mit diesem Parteitag empfohlen.

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