Kritik in Kenia tödlich
Von Ina SembdnerIn rund sechs Monaten sind in Kenia mindestens 82 – meist junge – Menschen entführt worden, viele von ihnen im Zusammenhang mit Antiregierungsprotesten. Und auch wenn in der vergangenen Woche fünf der sechs im Dezember Entführten wieder freigelassen worden sind, werden laut der Kenianischen Menschenrechtskommission (KNCHR) noch immer 29 Personen vermisst. Die Freigelassenen hatten demnach satirische Bilder des kenianischen Präsidenten William Ruto geteilt oder stehen in Verbindung mit jenen, die diese herausbrachten. Das Oberste Gericht hat den Polizeichef nach Angaben von AFP aufgefordert, am 27. Januar zu einer Befragung über diese Fälle zu erscheinen oder wegen Missachtung des Gerichts angeklagt zu werden.
Am Sonntag sorgte ein weiterer Fall für Aufsehen: Die im kenianischen Exil lebende Menschenrechtsaktivistin Maria Sarungi Tsehai aus dem südlich angrenzenden Tansania wurde in der Hauptstadt Nairobi von drei bewaffneten Männern entführt, konnte durch den Einsatz der Law Society of Kenya jedoch nach mehreren Stunden wieder ihre Freiheit erlangen. Deren Präsidentin Faith Odhiambo erklärte danach auf X: »Wir warnen hiermit ausdrücklich. Wir werden nicht zulassen, dass unser Land als Ort für das Kidnapping von Menschen missbraucht wird.« Dieser Vorwurf besteht seit längerem und auch Amnesty International sprach bereits von einem »wachsenden und besorgniserregenden Trend zur grenzüberschreitenden Repression«. Von Tsehais Organisation Change Tanzania wurde auf X ebenfalls vermutet, dass es sich bei den Entführern um tansanische Agenten gehandelt habe, die jenseits der Landesgrenze agierten, um legitime Kritik »zum Schweigen zu bringen«. Nach Angaben der BBC vom Montag äußerten sich bislang weder kenianische noch tansanische Offizielle zu dem Vorgang.
Ebenso verschwiegen agiert der kenianische Staat, wenn es um die Entführten der als Gen-Z bezeichneten Bewegung geht, die im Juni und Juli ihren Protest gegen Steuererhöhungen auf die Straßen trug und deren Anhänger teils mit dem Leben bezahlten – die KNCHR dokumentierte im Zusammenhang mit den Protesten »23 Tote, 34 Menschen, die gewaltsam verschwanden und 164 Verhaftete«. Einer der Entführten war der Sohn des früheren Generalstaatsanwalts Justin Muturi. Der aktuell im Kabinett Ruto als Sekretär für öffentliche Dienstleistungen tätige Politiker sprach am Sonntag erstmals in einem im TV übertragenen Statement darüber. »Seit den Gen Z-Revolten« habe es »eine Reihe von Entführungen und in einigen Fällen ungeklärte Todesfälle« gegeben, so Muturi. Und obwohl er zum Zeitpunkt der Entführung seines eigenen Sohnes Mitglied im nationalen Sicherheitsrat war, sei es ihm nicht möglich gewesen, Informationen darüber zu erhalten. Sein Sohn sei letztlich von »unbekannten Kräften« freigelassen worden. »Die Regierung war auf keiner Ebene in der Lage, mir eine Erklärung oder Gründe für seine Entführung durch vermummte, bewaffnete Gangster zu liefern«, beschrieb Muturi die Erfahrung Dutzender anderer, die ähnliches erlebt hatten.
Und während andere Mitglieder der Regierung das gewaltsame Vorgehen der Einsatzkräfte bei den Protesten verteidigt und jede Verbindung staatlicher Institutionen mit den Entführungen von sich gewiesen haben, hat Ruto zumindest zweimal eingeräumt, dass Einsatzkräfte daran beteiligt waren. Zuletzt in seiner Neujahrsrede: »Es gab Fälle von exzessivem und außergerichtlichem Vorgehen von Mitgliedern der Sicherheitsdienste.« Er gab vor, dass »in den entsprechenden Institutionen ordnungsgemäße Verfahren im Gange sind, um die Rechenschaftspflicht zu gewährleisten«. Dem schenken offenbar nicht alle Glauben. So fordert der Senator von Kiambu County, Teil der Metropolregion Nairobi, gemeinsam mit 25 Abgeordneten die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission, wie die Kenya News Agency am Donnerstag meldete. Sie soll sich mit den Entführungen von Regierungskritikern befassen, der Politisierung der Polizei und dem Wiederaufleben krimineller Banden.
Unklar ist auch, wer am Freitag versucht hat, den Generalsekretär der Kommunistischen Partei Kenia/Marxisten (CPM-Kenya), Booker Ngesa Omole, zu ermorden. Nach Angaben der Partei hätten mehrere mit Waffen und Nachtsichtgeräten ausgestattete Angreifer am frühen Morgen das Haus Omoles gestürmt, in einem Feuergefecht sei einer von ihnen getötet worden, sieben andere seien geflohen. Von der CPM wird »ein vorsätzlicher und kalkulierter politischer Mordanschlag« aufgrund der Kritik Omoles an der Regierung angeprangert.
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