Bis die Hand lahmt
Von Jörg KronauerMit der Unterzeichnung von rund 200 Dekreten (Executive Orders) hat US-Präsident Donald Trump am Montag (Ortszeit) seine zweite Amtszeit eingeleitet. Die Dekrete enthalten neben einigen eher dümmlichen Showeffekten – so wird der Golf von Mexiko in Golf von Amerika umbenannt – eine ganze Reihe teilweise weitreichender Maßnahmen, die die US-Innen- und Außenpolitik sowie wichtige globale Belange wie die Klimapolitik betreffen. Mit ihnen hat Trump zudem 78 Dekrete seines Amtsvorgängers Joe Biden annulliert – im stark aufgeheizten politischen Klima der USA ein symbolisch wichtiger Schritt.
Zentrale Bedeutung für die innere Debatte in den Vereinigten Staaten haben die Maßnahmen in der Asylpolitik, die Trump in mehreren Dekreten getroffen hat. So hat er an der Grenze zu Mexiko den Notstand ausgerufen. Zudem können keine Termine mehr zur Beantragung von Asyl gemacht werden; bereits bestätigte Termine entfallen. Betroffen sind laut Berichten rund 30.000 Flüchtlinge, die jetzt kaum noch Chancen auf Asyl haben. Abschaffen will Trump zudem die bisherige Praxis, auf US-Territorium geborenen Kindern automatisch die US-Staatsbürgerschaft zu verleihen. Insbesondere für Flüchtlinge soll das nicht mehr gelten. Mehrere Bürgerrechtsorganisationen haben Klagen dagegen angekündigt – immerhin hebt Trump mit dem Vorstoß den 14. Zusatzartikel zur US-Verfassung zumindest teilweise auf, wozu er nicht berechtigt ist.
Stoßen diese Maßnahmen auch bei manchen Anhängern der US-Demokraten auf Zustimmung, richten sich weitere Dekrete unmittelbar an seine eigenen Anhänger. Dies gilt insbesondere für die Begnadigung von fast 1.600 Rechten – darunter auch Anführer extrem rechter Milizen –, die am 6. Januar 2021 das Kapitol gestürmt hatten. Zudem sucht Trump die Staatsapparate in einem Maß politisch auf Linie zu bringen, das über den in den USA ohnehin schon üblichen Umfang deutlich hinausgeht. So hat er etwa einen Einstellungsstopp für Behörden verfügt und eine neue Kategorie umstandslos kündbarer Staatsangestellter geschaffen, in die bisher schwer kündbare Behördenmitarbeiter verschoben werden sollen. Ziel ist es, nicht bedingungslos loyales Personal zu feuern beziehungsweise, wie Trump es formuliert, den »tiefen Staat« (Deep State) zu bekämpfen. Klar auf die eigene Klientel zielen auch die Einstellung von Diversitätsprogrammen und die Rückkehr zu einer binären Geschlechtskategorisierung.
In der Energiepolitik vollzieht Trump eine 180-Grad-Wende – weg von erneuerbaren Energien hin zu Öl und Gas. Er hat – ein Novum in der Geschichte der USA – den Energienotstand ausgerufen; Umweltschutzvorschriften können nun einfacher aufgehoben, Bohrgenehmigungen leichter erteilt werden. Nach Öl und Gas gesucht werden darf jetzt in Teilen Alaskas und in Küstengewässern, für die Biden dies untersagt hatte. Darüber hinaus hat Trump – wie in seiner ersten Amtszeit – den Austritt der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen erklärt. Die Kündigung wird in einem Jahr wirksam. Die USA sind das einzige Land weltweit, das diesen Schritt geht.
International von Belang ist zudem Trumps Ankündigung, die USA aus der Weltgesundheitsorganisation herauszuführen. Ferner setzte er das globale Mindeststeuerabkommen für sich selbst außer Kraft. Darüber hinaus werden US-Entwicklungshilfezahlungen zunächst eingefroren und sodann überprüft. Neue Projekte sollen vorläufig nicht genehmigt werden. Kuba wird wieder als angeblicher Terrorunterstützer gelistet. Von der im Wahlkampf protzig verkündeten Behauptung, den Ukraine-Krieg »innerhalb von 24 Stunden« zu beenden, war am Montag in Washington keine Rede mehr. Dafür hob Trump Sanktionen auf, die die Biden-Administration gegen einige wenige israelische Siedler verhängt hatte; sie gelten nun nicht mehr.
Siehe auch
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- 11.12.2024
Vor verschlossenen Toren
- 18.04.2024
USA fördern Exodus aus Kuba
- 04.12.2020
USA wollen Eskalation