Ein letzter Walzer für Garth Hudson
Von Andreas SchäflerNach den frühvollendeten Richard Manuel (1986) und Rick Danko (1999) sowie den immerhin mittelalt abgetretenen Levon Helm (2012) und Robbie Robertson (2023) ist am Dienstag mit Garth Hudson der letzte originale Kämpe von The Band gestorben – mit stolzen 87 Jahren, die mit stilbildenden musikalischen Sternstunden nur so gespickt waren.
Als The Hawks heuerten die vier Kanadier und der eine Ami aus Arkansas (Helm) 1961 beim Country- und Rock-’n’-Roll-Rabauken Ronnie Hawkins an, der Hudson als Gegenleistung zunächst eine Lowrey-Orgel spendieren und erhöhtes Honorar zahlen musste, weil der zusätzlich zum Keyboardjob den anderen Musikern noch Nachhilfeunterricht gab. Mit Erfolg, denn 1965 tourte das Quintett bereits mit dem elektrifizierten Bob Dylan, nahm bald danach die Americana-Gründungsdokumente »The Basement Tapes« und »Music from Big Pink« auf und hieß fortan schlicht und ergreifend: The Band.
Dass sie das Recht, ja sogar die Verpflichtung hatten, sich als Rockgruppe den unbescheidensten Namen überhaupt zuzulegen, wiesen Hudson und Co. selbst nach Manuels und Dankos Ableben über Jahrzehnte immer wieder nach. Wer The Band nur als Dylans Begleitcombo oder von ihrem 1976er Abschiedskonzert »The Last Waltz« (durch Martin Scorsese verfilmt) kennt, hat viel nachzuholen. Und kann mit etwas Glück auch noch diverse Ablegeralben und Solowerke des »freundlichen Braunbären« (Al Kooper) ergattern, etwa »The Sea to the North« von 2001 oder seinen Beitrag zu dem ansonsten ziemlich obskuren Charlie-Parker-Remixprojekt »Bird Up«.
Garth Hudson war nicht der begnadete Songschreiber, wohl aber der instrumentale Spiritus rector von The Band. Er konnte mit furchterregendem Orgelfauchen aufwarten, um sich im nächsten Song mit waschechtem Honky-Tonk-Geklimper am Klavier zu begnügen, anschließend walzerselig ans Akkordeon zu wechseln oder mit einem wohldosierten Synthesizerexperiment um die Ecke zu kommen. Und wenn Richard Manuel den Pianopart übernahm, blies Hudson seine lupenreinen, hymnischen Soli auf dem Tenor-, dem Sopran- oder dem Basssaxophon, ohne dabei auch nur im geringsten zum Jazz hinüberzuschielen.
Ausgerechnet ein Robertson-Stück von »Big Pink« wurde mit der Zeit zu Hudsons Signature Song: Im ausführlichen Orgelintro zu »Chest Fever« mischte er Zitate aus J. S. Bachs Toccata und Fuge in d-Moll mit keltischen Folkmotiven und ließ das Ganze in einer psychedelischen Derwischdarbietung des Pfadfinderlieds »Auld Lang Syne« gipfeln. Die Version auf dem Livealbum »Rock of Ages«, eingespielt in der Silvesternacht 1971/72 in der New Yorker Academy of Music, geriet dann schon acht Minuten lang, bevor Schlag Mitternacht mit großem Karacho der Rest der Band einsetzte.
Garth Hudson wurde bereits zu Lebzeiten in diverse Ruhmeshallen des Rock ’n’ Roll gewählt, doch seine musikalische Hinterlassenschaft taugt nicht fürs Museum und wird, speziell in den nächsten vier Jahren, als Antidot gegen nationalistische amerikanische Umtriebe auch dringend gebraucht.
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