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Aus: Ausgabe vom 25.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Brandmauerfall

Merz sammelt bürgerliche Mitte
Von Arnold Schölzel
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CDU-Chef Friedrich Merz (23.1.2025)

Schon am Donnerstag hatte CDU-Chef Friedrich Merz den Mund öffentlich voll genommen und nach dem Vorbild Donald Trumps massenhafte Abschiebungen und ein »faktisches Einreiseverbot« für den Beginn seiner Kanzlerschaft angekündigt. Ihm sei »völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht«. Da fühlt sich jemand sehr stark. In der Nacht zum Freitag stellte er dann in der CDU-Führung intern durch, was damit auch gemeint war: die Stimmen der AfD endlich dankbar annehmen und nicht mehr eiern – entsprechende Anträge im Bundestag schon in der kommenden Woche. Sprachregelung nun: »unabhängig davon, wer ihnen zustimmt«.

Das faktische Koalieren mit der AfD, vor allem mit ihrem faschistischen Anhang, ist Voraussetzung für das faktische Einreiseverbot. Relativierungen, Hakenschlagen, propagandistische Nebelwerferei und Spurenverwischen sind dabei eingeschlossen. An der Zäsur ändert das nichts: Die lächerliche Brandmauer zwischen CDU und AfD, die es auf kommunaler Ebene nie gab und die auf Länderebene systematisch durchlöchert wurde, ist Geschichte.

Das gilt, auch wenn die angekündigte Verschärfung der Migrationspolitik im Parlament nächste Woche durchfällt. CDU/CSU, FDP und AfD haben rechnerisch keine Mehrheit, allerdings reichen schon einige Stimmen der neun fraktionslosen Abgeordneten. Selbst dann aber müsste der Bundestag ein beschleunigtes Verfahren beschließen, wenn Merz seinen Wahlkampfknaller vor dem 23. Februar durchbringen will. Dafür wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt, die werden ihm die anderen Parteien nicht liefern.

Allerdings zeigte ihnen Merz schon am Freitag die Instrumente, mit denen er sie quälen wird: Es gebe keine andere Mehrheit im Bundestag als jene von SPD, Grünen und FDP oder von SPD und CDU, CSU oder von CDU, CSU, FDP und Grünen. Den Klartext überließ er seinem CSU-Gehilfen Alexander Dobrindt: »Wir wollen in der Mitte der demokratischen Parteien eine Veränderung der Migrationspolitik erreichen.« Bevor das Söder-Sprachrohr das loslassen konnte, hatte Springers Welt-Herausgeber Ulf Poschardt bereits online verkündet, der Merz-Plan sei die »Rückkehr zum Common sense der bürgerlichen Mitte«.

Der hat sich aber gewaltig verschoben: Das deutsche Bürgertum ist auf dem Marsch nach rechts, zu rassistischer Ideologie und Kriegstüchtigkeit. Merz ist im Moment der wichtigste Repräsentant dieser Tendenz. Der Mord in Aschaffenburg – begangen von einem mutmaßlich psychisch Kranken, der offenbar seit Monaten polizei- und behördenbekannt war – gab ihm den Anlass, den längst geplanten Schritt auf die AfD zuzugehen. Sein Konzept durfte Merz am Dienstag in Davos seinem früheren Chef bei Blackrock unterbreiten. Finanzminister Jörg Kukies (SPD), wie Alice Weidel einst Goldman Sachs, war auch da. Merz fand gnädige Aufnahme bei Hofe. Blackrock hat gewählt, die »bürgerliche Mitte« einschließlich Weidel und Höcke darf Merz jetzt sammeln.

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  • Leserbrief von Wilfried Schubert aus Güstrow (29. Januar 2025 um 13:23 Uhr)
    Herr Merz macht übelste Migrationspolitik, selbst mit der AfD, um Bundeskanzler zu werden. Deutschland hat 83, 6 Millionen Einwohner. Davon 21.000.000 mit Migrationshintergrund, gleich 19,3 Prozent. Das aktuelle Geburtendefizit beträgt jährlich 330.000. Das Durchschnittsalter der Deutschen liegt bei 44,7 Jahren, zur Jahrhundertwende waren es noch 41,7 Jahre. Was wäre Deutschland ohne ausländische Zuwanderung bei Fachkräften? Im Gesundheitswesen sind 57.164 ausländische Ärzte. 14 Prozent Pflegekräfte kommen aus dem Ausland. Die armen Länder bilden aus und Deutschland hat den Nutzen. Trotzdem reichen Ärzte und Pflegekräfte nicht. Natürlich sind Straftaten durch Ausländer ein Problem. Hier muss konsequent gehandelt werden. Nicht wie bei den Gewalttätern in Magdeburg oder Aschaffenburg, die straffällig waren, aber nicht zur Verantwortung gezogen wurden. Unerwähnt lässt Herr Merz, die Mehrheit der Asylsuchenden kommt aus Kriegsgebieten, wo auch Deutschland mitmischt. So aus Afghanistan, der Ukraine oder Syrien. Herr Merz vergisst ebenfalls, dass die schamlose wirtschaftliche Ausbeutung der Herkunftsländer durch den Wertewesten ein Grund für das dortige Elend ist und Menschen zur Flucht treibt.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (27. Januar 2025 um 06:57 Uhr)
    Die Brandmauer fiel an dem Sonntag, an dem Musks pro AfD-Intervention in der Welt erschien. Das war der 28.12.2024.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (25. Januar 2025 um 17:12 Uhr)
    Die Handlanger, Häscher und Agenten der Wall Street nehmen dieses Land immer heftiger in den autokratischen Würgegriff und die parlamentarische Demokratie zunehmend unter Beschuss. Der Wahlzettel als Waffe zur Selbstverteidigung gegen die massiven Angriffe des Kapitals? Das hat doch noch nie funktioniert. Die Zukunft hält nichts Gutes für die Menschen hierzulande bereit.
  • Leserbrief von Alex K. aus Wetterau (24. Januar 2025 um 23:58 Uhr)
    Es fehlt der Hinweis darauf, dass auch das BSW dem Antrag der Union zustimmen könnte. So zumindest Sahra Wagenknecht laut dem RND. Quelle: https://www.rnd.de/politik/nach-aschaffenburg-union-nimmt-afd-stimmen-bei-neuen-migrationsantraegen-in-kauf-BP3RPSYMONDWJELA7UYZXVT2HQ.html Zusammen mit AfD, FDP und BSW hätte die Union eine Mehrheit im jetzigen Bundestag.
  • Leserbrief von Peter Balluff aus Vöhl (24. Januar 2025 um 21:04 Uhr)
    Na also, geht doch. Da »macht« der Merz den Trump und will alle, die nicht seiner BlackRock Gesinnung entsprechen, des Landes verweisen, oder sie erst gar nicht hereinlassen, die Grünen sind empört, die SPD schweigt und die AfD jubelt und meine Kumpels am Stammtisch in der »Jägersruh« fragen beim 5. »Jägermeister«, ob es denn nicht andere Probleme gibt, als da wären Kranken- und Pflegeversicherung, Rente, die Sicherheit des Conti Standorts in Korbach, die Verödung der Innenstadt, kein öffentlicher Nahverkehr u. v. m. Aber wie ist das nun mal in der Politik: »blubbern« geht vor Argumenten und erst recht vorm Anpacken.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (24. Januar 2025 um 20:42 Uhr)
    Friedrich Merz inszeniert sich als Sammler der sogenannten bürgerlichen Mitte, doch letztlich bleibt er isoliert. Sein politisches Kalkül zeigt, dass er weder mit Integrität noch mit Weitblick überzeugt. Er war nie mehr als ein politischer Opportunist, und das bleibt er auch. Sollte er wider Erwarten tatsächlich Kanzler werden, wäre dies ein fataler Rückschritt für Deutschland.

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