Brandmauerfall
Von Arnold SchölzelSchon am Donnerstag hatte CDU-Chef Friedrich Merz den Mund öffentlich voll genommen und nach dem Vorbild Donald Trumps massenhafte Abschiebungen und ein »faktisches Einreiseverbot« für den Beginn seiner Kanzlerschaft angekündigt. Ihm sei »völlig gleichgültig, wer diesen Weg politisch mitgeht«. Da fühlt sich jemand sehr stark. In der Nacht zum Freitag stellte er dann in der CDU-Führung intern durch, was damit auch gemeint war: die Stimmen der AfD endlich dankbar annehmen und nicht mehr eiern – entsprechende Anträge im Bundestag schon in der kommenden Woche. Sprachregelung nun: »unabhängig davon, wer ihnen zustimmt«.
Das faktische Koalieren mit der AfD, vor allem mit ihrem faschistischen Anhang, ist Voraussetzung für das faktische Einreiseverbot. Relativierungen, Hakenschlagen, propagandistische Nebelwerferei und Spurenverwischen sind dabei eingeschlossen. An der Zäsur ändert das nichts: Die lächerliche Brandmauer zwischen CDU und AfD, die es auf kommunaler Ebene nie gab und die auf Länderebene systematisch durchlöchert wurde, ist Geschichte.
Das gilt, auch wenn die angekündigte Verschärfung der Migrationspolitik im Parlament nächste Woche durchfällt. CDU/CSU, FDP und AfD haben rechnerisch keine Mehrheit, allerdings reichen schon einige Stimmen der neun fraktionslosen Abgeordneten. Selbst dann aber müsste der Bundestag ein beschleunigtes Verfahren beschließen, wenn Merz seinen Wahlkampfknaller vor dem 23. Februar durchbringen will. Dafür wird eine Zweidrittelmehrheit benötigt, die werden ihm die anderen Parteien nicht liefern.
Allerdings zeigte ihnen Merz schon am Freitag die Instrumente, mit denen er sie quälen wird: Es gebe keine andere Mehrheit im Bundestag als jene von SPD, Grünen und FDP oder von SPD und CDU, CSU oder von CDU, CSU, FDP und Grünen. Den Klartext überließ er seinem CSU-Gehilfen Alexander Dobrindt: »Wir wollen in der Mitte der demokratischen Parteien eine Veränderung der Migrationspolitik erreichen.« Bevor das Söder-Sprachrohr das loslassen konnte, hatte Springers Welt-Herausgeber Ulf Poschardt bereits online verkündet, der Merz-Plan sei die »Rückkehr zum Common sense der bürgerlichen Mitte«.
Der hat sich aber gewaltig verschoben: Das deutsche Bürgertum ist auf dem Marsch nach rechts, zu rassistischer Ideologie und Kriegstüchtigkeit. Merz ist im Moment der wichtigste Repräsentant dieser Tendenz. Der Mord in Aschaffenburg – begangen von einem mutmaßlich psychisch Kranken, der offenbar seit Monaten polizei- und behördenbekannt war – gab ihm den Anlass, den längst geplanten Schritt auf die AfD zuzugehen. Sein Konzept durfte Merz am Dienstag in Davos seinem früheren Chef bei Blackrock unterbreiten. Finanzminister Jörg Kukies (SPD), wie Alice Weidel einst Goldman Sachs, war auch da. Merz fand gnädige Aufnahme bei Hofe. Blackrock hat gewählt, die »bürgerliche Mitte« einschließlich Weidel und Höcke darf Merz jetzt sammeln.
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