Gegründet 1947 Montag, 27. Januar 2025, Nr. 22
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 27.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Adios, liberale Demokratie

Reaktionär-militaristischer Staatsumbau
Von Sebastian Carlens
imago795294967.jpg
CDU und CSU fordern »Bundesausreisezentren«, die AfD »Remigration«. Der Unterschied ist bloß ein semantischer

Für die deutsche Innenpolitik ist es ein glücklicher Umstand, dass ausreichend Attentäter auf Abruf bereitstehen, um erst die Anlässe zu schaffen, die dann »unverzügliches Handeln« erfordern. Es laufen genug polizeibekannte Wahnsinnige herum, die freimütig ankündigen, Massaker begehen zu wollen. Es genügt, ein wenig abzuwarten. Um dann die Feste zu feiern, wie sie fallen.

Dafür braucht es keine AfD. Doch auch der reaktionäre Block, der sich in und um diese Partei formiert hat, ist nützlich – um all das im Handstreich durchzuboxen, was sonst Aufgabe zäher Koalitionsverhandlungen wäre. Überhaupt, vielleicht braucht es keine Koalitionen mehr. Es reichen innen- und außenpolitische Zweckbündnisse. Als kriegsbesoffene Erfüllungsgehilfen für Feldzüge gegen Russland – oder gleich gegen China? – stehen die Grünen Gewehr bei Fuß (»Putin!«). Und um innenpolitisch die Verfassung zu schleifen, taugt die AfD allemal (»Asylanten!«). Merz hat die Wahl.

Die Papiere, die die CDU/CSU in dieser Woche in den Bundestag bringen will, mögen rein technisch nicht mehr realisierbar sein. Doch mit den Stimmen des Bürgerblocks lässt sich alles durchpeitschen. Wie das hier: anlasslose Massendatenspeicherung, Videoüberwachung in Echtzeit für biometrische Big-Data-Analyse, »wirksame und praktikable Kompetenzen zur Onlinedurchsuchung«, ein neues »ganzheitliches Bedrohungsmanagement« – das meint eine »neue Gefährderkategorie«, nämlich die psychisch Kranker. Oder auch »unbefristeter Ausreisearrest« ohne Urteil und anwaltliche Pflichtvertretung. Umbau »aller verfügbaren Liegenschaften, darunter leerstehender Kasernen und Containerbauten« in Abschiebeknäste. Der Entzug der Staatsangehörigkeit, die zwingende Abschiebung nach zwei Verurteilungen wegen Schwarzfahrens. Auch der »Einsatz von verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen« – also denjenigen Geheimdienstkreaturen, die allzu oft vor Attentaten ihre Finger im Spiel hatten, wie 2016 im Falle Anis Amris – »darf nicht erschwert werden«. Denn es geht erst los, all das ist nur der Anfang.

Die brutale imperialistische Umverteilung, die die neue US-Administration eingeläutet hat, macht das bürgerlich-liberale Modell vollständig obsolet, gar zum Hindernis – mit ihm ist die totale Kriegstüchtigkeit nicht zu erreichen. Seine Bastionen werden fallen wie Dominosteine – nicht nur in den USA. Was bleibt, ist die nackte bürgerliche Diktatur mit willfährigen Mehrheitsbeschaffern. Wer nun noch vom »Block demokratischer Parteien« (unter Einbeziehung der Union) quatscht, ist nicht Teil der Lösung, sondern des Problems.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Ansichten