Gegründet 1947 Mittwoch, 29. Januar 2025, Nr. 24
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 27.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Goodbye, Hemmungen

Von Knut Mellenthin
-USA.JPG
Kundgebung für israelische Geiseln in Washington, D. C. (19.1.2025)

Donald Trump will Israel dabei helfen, sich die Bevölkerung des Gazastreifens vom Hals zu schaffen, indem sie auf arabische und andere islamische Länder verteilt wird. Das gab der exzentrische Milliardär am Wochenende gleich zu Beginn seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident bekannt. Ägypten und Jordanien scheinen im Zentrum seiner Bemühungen zu stehen, vermutlich will er mit seinem üblichen Mix aus Nötigung und Bestechung vorgehen.

Aber auch Indonesien ist angeblich in diese Pläne einbezogen, wie der US-Sender NBC schon am 18. Januar berichtete. Das hatte drei Tage später eine Abfuhr des Außenministeriums in Jakarta zur Folge. Indonesiens Standpunkt bleibe eindeutig: Jeder Versuch, die Bewohner Gazas zu entfernen, sei völlig inakzeptabel. Amman hat ebenfalls Ablehnung signalisiert, es wäre verwunderlich, wenn Kairo anders reagieren würde.

Trump hat eine Regierung zusammengestellt, die auf allen für den Nahen Osten relevanten Positionen mit bekennenden und aggressiv auftretenden proisraelischen Figuren besetzt ist. Zu den ersten Amtshandlungen des alt-neuen Präsidenten gehört die Freigabe der Lieferung von superschweren Bomben an Israel, die sein Vorgänger Joe Biden im Mai 2024 vorübergehend gestoppt hatte. Es soll sich um 1.800 Stück des Typs »Mk 84« mit einem Gewicht von jeweils etwa 900 Kilogramm handeln. Eines der vielen Dekrete, die Trump am Tag seiner Amtseinführung unterzeichnete, widerruft die von Biden angeordneten Strafmaßnahmen gegen gewalttätige israelische Siedler, die palästinensische Dörfer und Kleinstädte auf der seit 1967 besetzten Westbank überfallen.

Im Vertrauen auf Trumps uneingeschränkte Solidarität glaubt Israels Regierung, sich fast alles erlauben zu können, ohne auch nur einen öffentlichen Tadel aus Washington zu riskieren. Israelische Soldaten hinderten am Wochenende Tausende vertriebene Palästinenser an der Rückkehr in den Nordteil des Gazastreifens, obwohl diese ein fest vereinbarter Teil des Abkommens mit der Hamas über den Gefangenenaustausch und den damit verbundenen Waffenstillstand ist. Vorwand war eine bislang nicht freigelassene israelische Geisel. Im Libanon schossen Angehörige der israelischen Streitkräfte auf Menschen, die für ihr vereinbartes Recht auf Rückkehr in ihre Wohnungen demonstrierten, und töteten 15 Menschen. Der Abzug der israelischen Streitkräfte aus dem Südlibanon wurde um 30 Tage verschoben. Für den Staat scheint mit »Trump 2« eine Zeit der Hemmungslosigkeit angebrochen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Dror Dayan (zweiter von links) bei einer Pressekonferenz zum Pal...
    27.01.2025

    Sündenbock der Nazienkel

    Jüdisch-israelischer Aktivist vor Gericht: Offiziell wegen verbotener Parole, aber offenbar auch wegen Protest gegen Geschichtsrevisionismus
  • Als ob es der Flagge bedürfte, die Besatzer zu erkennen: Belager...
    27.01.2025

    Bulldozer und Sniper

    Westbank: Israel tötet und zerstört weiter Infrastruktur in besetztem Gebiet. Ein Teil der freigelassenen Gefangenen nach Ägypten abgeschoben
  • Nicht das erste Mal: Transport eines Verletzten in das Indonesis...
    21.11.2023

    Ohne Warnung unter Beschuss

    Gaza: Indonesisches Krankenhaus im Visier der israelischen Armee. Diplomaten fordern Waffenstillstand

Mehr aus: Ansichten