Großer Sprung nach vorn
Von Marc BebenrothDer Doppelwumms aus Hangzhou hat gesessen: Nach dem Debüt der beiden neuesten KI-Anwendungen aus der Volksrepublik China waren vor allem westliche Kapitalisten auch am Dienstag noch damit beschäftigt, die Einschläge an den Börsen zu verarbeiten.
Deep Seek hatte in der Nacht zu Dienstag die neueste Version seiner Anwendung zur Erzeugung von Bildern vorgestellt. »Janus-Pro« schlage nach eigenen Angaben in Testdurchläufen Konkurrenzprodukte wie »Dall-E 3« der US-Firma Open AI. Zuvor hatte Deep Seek am Montag mit der Veröffentlichung seines anderen KI-Produkts, eines Large Language Model (LLM) – umgangssprachlich auch Chatbot genannt –, nicht nur für Aufsehen, sondern für Rekordeinbrüche diverser Techbörsenkurse gesorgt.
Derweil haben sich die Entwickler beim Unternehmen Deep Seek für eine Woche in den Neujahrsurlaub verabschiedet. Viele der jungen Beschäftigten seien erstaunt, wie die Welt auf ihre kostengünstigen und der Öffentlichkeit als Open-Source-Lösung frei zugänglichen sowie leistungsstarken KI-Modelle reagiert, berichtete die South China Morning Post (Onlineausgabe) am Dienstag.
Die komplexen Systeme zur Mustererkennung benötigen Hightechchips. Die zum Betrieb nötigen Rechenzentren verschlingen Unmengen Elektrizität. Alle damit verbundenen Profiterwartungen drückten sich auch in den nun zurechtgestutzten Börsenkursen aus. Von dem am Montag verzeichneten Kursverlust mit einem Minus von 17 Prozent erholte sich der Chiphersteller Nvidia am Dienstag nur leicht mit einem Anstieg zwischen fünf und sechs Prozent, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Das Unternehmen war bis dahin dermaßen überbewertet, dass die »Kurskorrektur« vom Montag eine Abwertung um umgerechnet 563 Milliarden Euro bedeutet – laut Reuters ein Rekordverlust an einem Tag für ein Unternehmen. Bis dahin seien Nvidia-Aktien zum fast 60fachen Wert der Firmengewinne gehandelt worden.
Auch für Siemens Energy ging es im Deutschen Aktienindex wieder leicht nach oben. Am Montag erlitt der Konzern einen Wertverlust von satten 18 Prozent. Aus Japan wurden den zweiten Tag in Folge Spekulationsverluste vermeldet. So habe Advantest, Hersteller von Chiptestgeräten und Zulieferer von Nvidia, am Dienstag zehn Prozent an der Börse eingebüßt, nach einem Neun-Prozent-Minus am Montag.
Westliche IT-Riesen wie Alphabet (Google, Youtube u. a.) oder Microsoft (Windows, Open-AI) und Hardwarehersteller wie Broadcomm und Nvidia hatten Milliardensummen in Bewegung gesetzt, um sich ihren Platz an der KI-Sonne zu sichern. Das von der US-Regierung jüngst verkündete »Projekt Stargate« allein soll 500 Milliarden US-Dollar Privatkapital in Texas vergraben, um dort KI-Rechenzentren entstehen zu lassen. Daran beteiligt sein sollen Oracle, Softbank, der Fonds MGX aus den Vereinigten Arabischen Emiraten – und Nvidia. Profitieren soll ausschließlich das dem Microsoft-Konzern gehörende Unternehmen Open-AI mit ihrem LLM Chat-GPT, wie die Financial Times am Freitag berichtet hatte.
Die Entwickler im Dienste des Finanzkapitalisten und Deep-Seek-Chefs Liang Wenfeng hatten nach eigenen Angaben Chips von Nvidia mit niedrigerer Kapazität genutzt und für das »Training« ihres LLM weniger als umgerechnet 5,7 Millionen Euro aufgewendet. Nvidia hofft daher auf weiterhin hohe Nachfrage und entsprechende Geschäfte mit der Volksrepublik.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (29. Januar 2025 um 11:12 Uhr)Die Glorreichen Sieben der Wall Street herausgefordert: Der Markt wird sich schon richten! Was der Artikel anbelangt eine Bemerkung. Es ist eine alte Binsenweisheit, dass man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen sollte. Dasselbe gilt auch für die Entwicklungskosten in Ost und West – sei es im militärischen Bereich oder in der Zukunftsforschung. Der Aufwand und die Gesamtkosten sind schlichtweg nicht vergleichbar. Oder, um es mit einer alten ungarischen Weisheit zu sagen: »Können Sie schwimmen? Nein! Und wenn ich Sie gut bezahle? Natürlich dann auch nicht!« Geld allein kann weder natürliche Grenzen noch grundlegende Defizite überwinden. In diesem Kontext sollte die jüngste Überraschung über Chinas Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz niemanden wirklich erstaunen. Diese Entwicklung war absehbar. Die westlichen Börsen, die den Wohlstandsvorsprung des Westens stützen, reagieren jedoch erwartungsgemäß nervös. Schließlich steht das Fundament dieses Systems auf dem Spiel. Ein großer Teil des westlichen Bruttoinlandsprodukts basiert auf oftmals überbewerteten Börsenwerten, während der »antiwestliche« Raum – und insbesondere China – eine äußerst erfolgreiche, produktionsorientierte Wirtschaftskette vorweist. Die chinesische Herangehensweise erinnert dabei an Walter Ulbrichts Konzept des »Überholens, ohne einzuholen«. Anstatt die westlichen Tech-Giganten direkt zu imitieren, setzt China auf innovative, ressourcenschonende und gleichzeitig effektive Strategien, die leistungsstarke Ergebnisse liefern. Diese Strategie zeigt einmal mehr, dass der Wettlauf um technologische Dominanz nicht allein durch Kapital, sondern vor allem durch innovative Köpfe und den zielgerichteten Einsatz von Ressourcen entschieden wird.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in André M. aus Berlin (29. Januar 2025 um 12:35 Uhr)Sehr richtig! Ich bin schon länger der Ansicht, dass die KP Chinas das NÖS der DDR gut studiert hat und die richtigen Schlussfolgerungen daraus gezogen hat. Ulbricht war seiner Zeit weit voraus … als strategisch (und unbedingt politisch) denkender und neugieriger Staatsmann hat er geahnt, was die Zukunft des Sozialismus erfordern würde. Leider hatte er nur wenige gleichgesinnte Mitstreiter und ebensolche Verbündete.
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