»Nie wieder dürfen Kinder eingezogen werden«
Interview: Gitta DüperthalDas Friedensforum Bonn veranstaltet am Mittwoch eine Mahnwache und sammelt Unterschriften für den Appell »Beendet die Rekrutierung Jugendlicher«. Was genau ist das Ziel?
Wie viele Aktivistinnen und Aktivisten der Friedensbewegung bin ich dafür, die Bundeswehr grundsätzlich abzuschaffen. Unser erstes Ziel ist: Werbung für die Bundeswehr muss unterbleiben – erst recht eine, die sich an Kinder und Jugendliche richtet. Das ist der Minimalkonsens. Jugendliche haben in den Streitkräften nichts zu suchen, unter 18 Jahren sowieso nicht. Die Bundeswehr aber wirbt an Schulen, im öffentlichen Raum und mit ihrer sogenannten Infopost gezielt für den Soldatendienst ab 17 Jahren. Sie verstößt damit gegen die Grundsätze der UN-Kinderrechtskonvention. 150 Staaten der Welt halten sich daran, die Bundesrepublik nimmt für sich Ausnahmeregelungen in Anspruch. Dafür rügte der »UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes« die Bundesregierung mehrfach. Das Friedensforum Bonn wendet sich konkret dagegen, dass die Stadt Bonn jedes Jahr die Adressen Jugendlicher zwischen 16 und 18 Jahren an die Bundeswehr weitergibt und die Anwerbung so unterstützt. Wir machen diese weitgehend unbekannte Datenübermittlung publik und fordern, das Bundesmeldegesetz in dem Punkt dringend zu verändern.
Können Sie Zahlen nennen, wie viele Minderjährige von der Bundeswehr eingezogen wurden?
Seit dem Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 hat die Bundeswehr fast 20.000 17jährige Jungen und Mädchen als Soldatinnen und Soldaten rekrutiert. 2023 waren es fast 2.000, davon 315 Mädchen: ein Anstieg von 13 Prozent gegenüber 2022. 16jährige werden gemustert, mit ihnen finden Gespräche über langjährige Verträge statt. Während ihrer Entwicklung zum Erwachsensein werden sie in Militärlogik und Kriegsrhetorik eingeführt.
Historisch nehmen Sie Bezug auf die Rekrutierung von Jugendlichen im Zweiten Weltkrieg.
Wenn wir unsere Mahnwache zum neunten Mal aufbauen, wird auf einem Banner zu sehen sein, wie Adolf Hitler 1945 Wangen von Kindern tätschelt – für den faschistischen Volkssturm in Berlin. Wir sagen: Nie wieder dürfen Kinder ins Militär eingezogen werden. Noch 80 Jahre später müssen wir das diskutieren. Damals wie heute ist ein Grund für Kriege, wirtschaftliche Profite in der Welt zu machen. Aktuelles Beispiel: Im Kongo geht es um seltene Erden, die dort von Kinderhänden aus dem Boden geholt und auch an westliche Länder für die Produktion elektronischer Geräte verkauft werden. Der Kapitalismus hat mit Kriegsvorbereitungen zu tun.
Welche Rekrutierungsmaßnahmen halten Sie für besonders problematisch?
Bei »Tagen der Bundeswehr« krabbeln Kinder durch Panzer hindurch. Jugendliche erhalten Postkarten, auf denen steht: »Tu was für dein Land«. Bei Abenteuer- und Sportevents, Ausstellungen, Messen, in Jobcentern, Arbeitsagenturen und Berufsinformationszentren wirbt die Bundeswehr Jugendliche. Es geht um »Fun und Abenteuer«: um das »Wir gemeinsam«. Über Medien wie Facebook, Snapchat oder Instagram wirbt die Bundeswehr mit Clips, die als Abenteuerserien daherkommen. Risiken von Kriegseinsätzen werden verschwiegen. Beim Militär geht es aber darum, mit Waffen auf Menschen zu schießen, also ums Töten und Sterben. Sogar der sogenannte Zivildienst dient dazu, um auf den Kriegsdienst vorzubereiten, etwa in Hospitälern. Auch er dient der Vorbereitung und Unterstützung von Krieg.
Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Sie fordern, dass die Bundesrepublik den internationalen 18-Jahre-Standard einhält. Sie haben Parteien dazu befragt, wie sie es damit halten. CDU, SPD, Grüne und Linke haben geantwortet. Wie zufriedenstellend finden Sie diese Positionierungen dazu?
Die einzige konsequente Einlassung gegen den Kriegsdienst kam von der Partei Die Linke. Wir hatten begrüßt, dass der Koalitionsvertrag der Ampel 2021 vorsah, dass der Dienst an der Waffe Volljährigen vorbehalten bleiben soll. Umgesetzt wurde es nicht. Die Grünen hatten es nicht vorangetrieben. In der SPD vertreten Abgeordnete dazu verschiedene Meinungen. Bei der CDU sieht man ganz grundsätzlich kein Problem, unter 18jährige ins Militär einzuziehen.
Armin Lauven ist aktiv in der Kampagne »Unter 18 nie«.
Mahnwache »Keine Jugendlichen zum Militär«, Mittwoch, 15 Uhr, Martinsplatz in Bonn
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