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Aus: Ausgabe vom 29.01.2025, Seite 10 / Feuilleton

Hellberg, Ottmann, Krämer, Schrade

Von Jegor Jublimov
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Martin Hellberg (31. Januar 1905–31. Oktober 1999)

In den siebziger Jahren gab es im deutschsprachigen Raum niemanden, der das Universalgenie Goethe zutreffender und zugleich ironischer verkörpern konnte als Martin Hellberg. Darum besetzte ihn Regisseur Egon Günther auch 1974 in seiner Thomas-Mann-Verfilmung »Lotte in Weimar« neben Lilli Palmer. Mit Ende sechzig hatte er seine Lebensrolle gefunden. Zehn Jahre nach seinem letzten Film »Die gestundete Zeit« (1989) starb Hellberg im thüringischen Bad Berka, das seit vielen Jahren sein Domizil geworden war. In Dresden wurde er als Martin Heinrich am 31. Januar vor 120 Jahren geboren. Als junger Handwerksgeselle nach einem Streik entlassen, fand er mit 19 Jahren die Möglichkeit, am Schauspielhaus kleine Rollen neben Größen wie Erich Ponto zu spielen. Er begann aber auch, Arbeitertheater zu organisieren, und wurde KPD-Mitglied. Durch Namensänderung und Engagements an vielen Bühnen blieb er ab 1933 von Verfolgung verschont, erhielt erst 1942 Berufsverbot, das er aber ignorierte, und wurde schließlich in ein Strafbataillon eingezogen. Nach dem Krieg wirkte er in Süddeutschland, unter anderem in München, wo er aus politischen Gründen verdrängt wurde. In seiner Heimatstadt fasste er dann erneut Fuß und wurde schließlich Generalintendant. In Berlin rief die Defa nach ihm. Gleich seine erste Regie bei »Das verurteilte Dorf« (1952), gerichtet gegen US-amerikanische Militärpräsenz in der BRD, wurde vielfach ausgezeichnet. Besondere Verdienste erwarb sich Hellberg mit Adaptionen klassischer Literatur von Autoren wie Lessing, Schiller und Shakespeare. Als das nicht mehr gefragt war, arbeitete er kurze Zeit als Intendant in Schwerin und wieder als Schauspieler, wobei sein Pfarrer im Defa-Lustspiel »Ein irrer Duft von frischem Heu« (1977) und der Professor in der Klaus-Mann-Verfilmung »Mephisto« (1981) am nachhaltigsten wirkten.

Den Nachwuchs hat Hellberg in seiner Zeit als Intendant gefördert, beispielsweise auch Ingeborg Ottmann, die am 1. Februar 1925 in Breslau (heute Wrocław) geboren wurde, ab und an in Filmen spielte, sich in Leipzig zu einer führenden Charakterdarstellerin entwickelte und Ende der achtziger Jahre zusammen mit Dieter Seidel in Hamburg das alternative »Theater N. N.« ins Leben rief, das noch immer arbeitet. Sie starb 2010.

Am Freitag wäre Bodo Krämer 80 geworden, der schon mit 58 an Krebs starb. Er wurde in Pommern geboren, studierte an der HFF in Babelsberg, wurde von Egon Günther für seine erste Filmrolle in Johannes R. Bechers »Abschied« (1968) vor die Kamera geholt und spielte ab 1970 an der Volksbühne. Bemerkenswert war hier seine Rolle in Plenzdorfs »Die neuen Leiden des jungen W.«, von ihm als Einpersonenstück gespielt. Im Fernsehen wirkte er zwischen 1972 und 1991 mehrfach im »Polizeiruf 110« mit.

Am selben Tag kann Willi Schrade seinen 90. Geburtstag begehen, der um 1960 ein Publikumsliebling war und manches Titelblatt schmückte. Der Film »Verwirrung der Liebe« (1959) über das Bildungsniveau unbeschwerter junger Leute war beim Publikum ein großer Erfolg. Unter Schrades rund 300 Kino- und Fernsehauftritten ragt noch immer sein Matrose Willi in der DFF-Serie »Zur See« (1976/77) hervor.

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