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Aus: Ausgabe vom 31.01.2025, Seite 6 / Ausland
Migrationspolitik

Amerikanischer Alptraum

Abgeschobene Kolumbianer und Brasilianer berichten von unmenschlicher Behandlung durch die US-Behörden
Von Volker Hermsdorf
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Unter demütigenden Bedingungen werden Schutzsuchende aus den USA nach Mexiko abgeschoben (McAllen, 27.1.2025)

Diese Woche haben die USA und Deutschland demonstriert, was es mit den »gemeinsamen westlichen Werten« auf sich hat. Während die Unionsparteien im Bundestag am Mittwoch mit Unterstützung von FDP und AfD einen Antrag durchbrachten, in dem unter anderem sofortige Inhaftierungen und Massenabschiebungen von Ausreisepflichtigen gefordert werden, berichten aus den USA deportierte Brasilianer und Kolumbianer, wie unmenschlich sie bei der Überstellung in ihre Länder behandelt wurden. Eingewanderte und insbesondere Menschen ohne Papiere lebten in den USA in ständiger Angst, fasste die spanische Agentur Efe am Dienstag deren Aussagen zusammen.

»Es war schrecklich«, sagte José Erik Montaña, einer der 201 Kolumbianer, die am Dienstag mit zwei Flügen von El Paso (Texas) aus nach Bogotá abgeschoben worden waren. Er war in den USA verhaftet worden, wo er Zuflucht vor der Gewalt in seinem Land suchte. »Sie legten uns Handschellen und Ketten an, von den Händen über die Knöchel bis zu den Hüften, wir wurden wie Kriminelle behandelt. Es gab Kinder, die mitansehen mussten, wie ihre Mütter angekettet wurden, obwohl sie nur eine bessere Zukunft für ihre Familien wollten.«

Auch Carlos aus dem nordkolumbianischen Barranquilla machte ähnliche Erfahrungen. »Sie fesselten meinen Sohn, gaben uns verdorbenes Essen und warfen die Mahlzeiten auf den Boden«, schilderte er am Dienstag im Sender Blu Radio. »Das einzige, was wir falsch gemacht haben, war, illegal einzureisen. Wir suchten den amerikanischen Traum und erlebten einen Alptraum«, stellt er resigniert fest. Mehrere kolumbianische Medien berichteten ausführlich über willkürliche Festnahmen, menschenunwürdige Unterkünfte und Misshandlungen durch Migrationsbehörden.

Aus Brasilien wurden ähnliche Fälle gemeldet. Fast 90 Personen waren bei ihrer Abschiebung aus den USA ebenfalls an Händen und Füßen gefesselt. Zeugen zufolge sollen einige von ihnen von den Bewachern getreten und geschlagen worden sein, als sie bei einer Zwischenlandung in Panama darum baten, austreten zu dürfen und etwas Verpflegung zu bekommen. Einige Betroffene gaben an, 50 Stunden lang ohne Essen, Trinken und Toilettenzugang gefesselt gewesen zu sein.

Wie Blu Radio mitteilte, haben die kolumbianischen Behörden bei der Ankunft der Deportierten »eine gründliche Prüfung ihrer Migrations- und Justizakten« durchgeführt. Laut offiziellem Ergebnis lag gegen keinen der Abgeschobenen ein Strafantrag oder Haftbefehl vor. Das beweise, dass die Abschiebungen ausschließlich aus politischen Gründen erfolgten und nicht aufgrund krimineller Delikte, folgerte der Sender. »Der Migrant ist kein Krimineller, er ist ein menschliches Wesen, das arbeiten und vorankommen will, um zu leben«, empörte sich Kolumbiens Präsident Gustavo Petro daraufhin auf X.

Im Gegensatz zu ihm behauptete US-Präsident Donald Trump, seine Einwanderungsbeamten leisteten »phantastische Arbeit«, indem sie »gefährliche Kriminelle« abschöben. »Können Sie sich das vorstellen? Sie haben Drogendealer, Mitglieder von Banden und Mörder aller Art, und sie wollen nicht, dass ihnen Handschellen angelegt werden. Wie würde es Ihnen gefallen, Pilot vorne im Flugzeug zu sein, mit dreihundert Menschen an Bord, die Mörder, Drogendealer und sonst welche Kriminelle sind, und Sie müssen mit ihnen fliegen, ohne dass sie Handschellen tragen«, zitierte das kolumbianische W Radio am Dienstag Äußerungen Trumps.

Auf die Frage, wie viele der mehr als 3.500 seit Trumps Amtsantritt von der US-Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) festgenommenen Migranten kriminell sind, im Unterschied zu denjenigen, die sich nur illegal im Land aufhalten, antwortete die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, ebenfalls am Dienstag auf ihrer ersten Pressekonferenz: »Alle.« In den USA habe eben ein »großer kultureller Wandel« stattgefunden. »Nach Ansicht dieser Regierung« würden alle, die gegen die Einwanderungsgesetze verstoßen hätten und sich ohne die erforderlichen Dokumente im Land aufhielten, automatisch als Kriminelle betrachtet, erläuterte die 27jährige.

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