Dein roter Faden in wirren Zeiten
Gegründet 1947 Donnerstag, 6. März 2025, Nr. 55
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Dein roter Faden in wirren Zeiten Dein roter Faden in wirren Zeiten
Dein roter Faden in wirren Zeiten
Aus: Ausgabe vom 04.02.2025, Seite 4 / Inland
Berufsverbote 2.0

Ausschlusskriterium Linkspartei

Vertrag nicht verlängert: Student verliert Job an Uni wegen Mitgliedschaft bei Jugendorganisation Solid
Von Fabian Linder
imago83559815.jpg
Im Visier des bayerischen Inlandsgeheimdienstes: Linksjugend Solid

Berufsverbote 2.0: Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Münchner Klimaschutzaktivistin Lisa Poettinger ihr Referendariat im Februar nicht antreten darf, da das bayerische Kultusministerium die Lehramtsstudentin als Verfassungsfeindin betrachtet. Nun trifft die in Bayern weiterhin aktive Berufsverbotspraxis einen Bundestagskandidaten der Linkspartei. Dem 25jährigen Gabriel Bruckdorfer wurde eine studentische Tätigkeit an der Universität Augsburg nicht verlängert. Der Vorwurf: Mitgliedschaft in der Jugendorganisation der Linkspartei Linksjugend Solid. Bruckdorfer – seit August Mitglied der Partei – tritt im Oberallgäu als Direktkandidat für die kommende Bundestagswahl im Februar an.

An der Universität Augsburg steht der Student vor dem Abschluss seines Bachelorstudiums in Erziehungswissenschaften. Angestellt war er für die EDV-Betreuung. Sein bis Ende vergangenen Jahres laufender Arbeitsvertrag sollte ursprünglich verlängert werden. Jedoch ließ die Universität diesen am Ende auslaufen, mit Verweis auf »extremistische Zielsetzungen«, wie es in einer E-Mail der Universität an Bruckdorfer hieß. Damit gemeint ist die Mitgliedschaft in der Linksjugend.

In der Vergangenheit kam es häufiger dazu, dass Mitglieder der Linkspartei, die unter 35 Jahren alt sind, bei einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst Probleme bekamen. Neumitglieder der Partei werden, sofern sie nicht aktiv widersprechen, automatisch Mitglied der Linksjugend, welche vom Bayerischen Verfassungsschutz auf dem »Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue« zusammen mit Parteiströmungen wie der Kommunistischen Plattform als »extremistisch« genannt wird.

Entsprechend der E-Mail der Universität sei diese Mitgliedschaft nicht vereinbar mit einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Bruckdorfer habe in Reaktion auf die Entscheidung der Universität in einer langen Stellungnahme dargestellt, dass er sich als »passives Mitglied« der Linksjugend betrachte, da er lediglich bei einer Handvoll Treffen der Parteijugend war. Gleichzeitig sei es ihm ein Anliegen gewesen, zu sehen, wie Jugendförderung in seiner neuen Partei aussehe. Insbesondere, da er selbst Erziehungswissenschaften studiere.

Bruckdorfers Anwältin, Adelheid Rupp, bis Juni vergangenen Jahres Kovorsitzende der Landespartei, betonte gegenüber junge Welt, es sei in diesem Fall ohne jede Relevanz, dass Solid in Bayern im Verfassungsschutzbericht stehe. Darauf habe sie die Universität auch in einem Schreiben hingewiesen. Rupp verweist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, in dem ausgeführt wird, dass die reine Mitgliedschaft in einer »extremistischen Vereinigung« nicht für Kündigungen ausreiche, sondern zusätzlich das »aktive Stellen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung«. Das sei nicht belegbar von seiten der Universität. Im Kern gehe es immer auch um die Frage, ob die Personen kapitalismuskritisch seien, wie auch der Fall Poettinger zeigt. Allerdings habe Kapitalismuskritik nichts mit der bayerischen Verfassung und dem Grundgesetz zu tun, wie bereits das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, so Rupp.

Die Universität habe auf das Schreiben bislang nicht reagiert. »Wir werden der Universität nun eine Frist setzen, um auf unser Schreiben von Anfang Januar zu reagieren«, so Rupp. Es sei unmöglich, dass hier nicht zeitnah geantwortet und Stellung bezogen werde, vor allem für jene, die damit in der Luft hängen, wenn es um ein Ausbildungs- oder Arbeitsverbot gehe. Schließlich sei es auch erst dann möglich, weitere rechtliche Schritte zu gehen.

Rückendeckung bekommt Bruckdorfer indes von der bayerischen Linken, deren Landessprecher Martin Bauhof gegenüber der Süddeutschen Zeitung sagte, dass man bereits in ähnlichen Fällen erfolgreich gegen Kündigungen vorgegangen sei. Der Kovorsitzende der Bundespartei, Jan van Aken, zog auf der Plattform X eine Verbindung zu den gemeinsamen Abstimmungen der Union mit der AfD vergangene Woche im Bundestag, wo alle CSU-Abgeordneten mitstimmten. »Mit den Nazis im Bundestag paktieren und Linken Berufsverbot verpassen«, zeigte sich van Aken empört.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Gregor Gysi (Die Linke, l.) und Michael Frieser (CSU, r.) warten...
    31.07.2024

    Weiter Spielraum

    Bundesverfassungsgericht: Ende der Grundmandatsklausel für Bundestagswahl verfassungswidrig. Absenkung der Fünfprozenthürde eine Option
  • Die AfD wähnt die Rechtsprechung auf ihrer Seite, Geld vom Staat...
    18.12.2023

    Weit rechts außen

    Die AfD und die »Staatsknete« oder: Was will die Alternative für Deutschland mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung?
  • Vor großen Entscheidungen? Eingang zum Karl-Liebknecht-Haus in B...
    05.06.2023

    Zu fortschrittlich für Che

    Berlin: »Netzwerk Progressive Linke« will mit Anträgen an Linke-Bundesparteitag »Entscheidungen herbeiführen«. Kurs auf neues Parteiprogramm

Regio:

Mehr aus: Inland