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Aus: Ausgabe vom 05.02.2025, Seite 14 / Feuilleton

Rotlicht: Raubkunst

Von Horsta Krum
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Hitler lässt Göring als »Geburtstagsgeschenk« die geraubte »Falknerin« von Hans Makart überreichen (Berlin, 12.1.1938)

Die Stärkeren haben schon immer – das belegt die Forschung – den Schwächeren ihre Kunstwerke weggenommen und sich damit geschmückt. Was sich aber die Nazis, allen voran Hitler und Göring, leisteten, war wohl beispiellos. Hitler wollte nicht nur als Staatsmann und Militärführer gelten, sondern auch als Kulturmensch, und plante ein bedeutendes Kunstmuseum. Als er anlässlich eines Staatsbesuches in Italien den phantastischen kulturellen Reichtum dieses Landes entdeckte, wurde ihm klar, dass die deutschen Kulturschätze für sein »Führermuseum« nicht ausreichten. Da Italien bis September 1943 als »befreundete Nation« galt, konnte er dortige Kunstwerke kaufen oder sich schenken lassen. Danach galten italienische Kunstwerke, die sich Nazis aneigneten, offiziell als »Raubkunst«. In Österreich ließ Hitler nach der Annexion 1938 Kunstwerke konfiszieren oder auch kaufen – je nachdem, ob es sich um jüdische oder nichtjüdische Besitzer handelte. So wurde auch in den Niederlanden verfahren.

Alfred Rosenberg, der Chefideologe der Nazis, etablierte seinen »Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg« (ERR) in Paris. Der beraubte vor allem jüdische Familien und Kunsthändler und beschaffte so mehrere tausend Kunstwerke. Göring sammelte Kunst für sich, nämlich für das »größte Privatmuseum Europas«, wie er sagte. Mit diesen Kunstwerken stattete er seine Residenzen in Süddeutschland, Ostpreußen usw. aus. Seine Hauptresidenz war »Carinhall«, sechzig Kilometer nordöstlich von Berlin. Dort empfing er Staatsgäste und zeigte ihnen seine ständig größer werdende Kunstsammlung; dort feierte er Geburtstage und ließ sich reichlich beschenken.

Zwanzigmal besuchte er das Pariser Museum, in dem der ERR die Raubkunst deponierte. Göring suchte für sich und für Hitler aus und ließ alles in seinem Sonderzug nach Deutschland transportieren. Vor allem waren es altniederländische und altdeutsche Gemälde, die er und Hitler bevorzugten. Göring besaß außerdem eine Vorliebe für französische Kunst des 18. Jahrhunderts. Hitler ließ »seine« Kunstwerke nach Süddeutschland, nach Schloss Neuschwanstein und nach Österreich bringen, denn sein »Führermuseum« sollte in Linz gebaut werden. Als sich die Rote Armee näherte, ließ auch Göring seine Kunstsammlung nach Süddeutschland bringen.

Gegen Kriegsende lagerte also der allergrößte und wertvollste Teil der Raubkunst in Bayern und Österreich, nämlich in der amerikanischen Besatzungszone. Die Kunstsammlung von Robert Ley, dem Verantwortlichen für die »Arbeitsfront«, war in einer Höhle versteckt; Kronprinz Wilhelm von Preußen behielt »seine« Kunstwerke auf der Burg Hohenzollern. Nahe Berchtesgaden entdeckten die Amerikaner einen kleinen Teil von Görings Sammlung: »ungerahmte Leinwände, darunter sieben Gemälde von Rubens, van Dycks Familienporträt, fünf späte Rembrandts, Altarteile des Wilhelm von Köln … Fünf Jahre lang plünderten die Supergangster ganz Europa aus; als aber Vergeltung drohte, verlagerten sie große Teile ihrer Beute in Keller und Minen der deutschen und österreichischen Berge oder in jedes beliebige Loch«, schrieb der Journalist Osmar White.

Einige der enteigneten Besitzer, die überlebt hatten, oder die jeweiligen Nachkommen, erhielten ihr Eigentum bald zurück. Manche kämpfen bis heute um ihr Erbe. Die nicht zurückgegebenen Kunstwerke befinden sich in Museen, Repräsentationsräumen von öffentlichen Gebäuden, von Banken, in privaten Wohnzimmern usw. Die Bundesrepublik richtete 2003 eine Kommission ein, die juristische Richtlinien für die Rückgabe festlegte. Claudia Roth, die zuständige Kulturstaatsministerin, will die Richtlinien jetzt verschärfen, so dass es für Nachkommen von Besitzern noch schwerer würde, ihre Ansprüche geltend zu machen.

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