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Aus: Ausgabe vom 06.02.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Maschinenpistolen im Schlafzimmer

Blutiger Valentinstag: Die Komödie »Love Hurts«
Von Ronald Kohl
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Ein gemütliches Heim: Marshawn Lynch (l.) und Ke Huy Quan

Es ist schon ein Unterschied, ob man jemanden in ein Loch verfrachtet (nachdem man ihm eins in den Kopf geschossen hat) oder ob man seinen Mitmenschen ein neues Heim mit allem Komfort offeriert.

Marvin Gable (Ke Huy Quan) genießt es, der erfolgreichste Immobilienmakler von Milwaukee zu sein. Sein Boss ist stolz auf ihn und seine Mitarbeiter sagen artig »Danke, Marvin!«, wenn sie in die große Keksdose greifen, die er jedem von ihnen am Valentinstag breit lächelnd entgegenstreckt. Es versteht sich, dass Marvin die herzförmigen, rotglasierten Plätzchen heute morgen höchstpersönlich für alle gebacken hat. Da er es dann eilig hatte, ins Büro zu kommen, blieben die Formen, mit denen er den Teig ausgestochen hat, in seiner schicken Küche neben dem Spülbecken liegen. Noch bevor dieser 14. Februar, der Tag, an dem zu Ehren der Liebe Grußkarten verschickt und Süßigkeiten verschenkt werden, zur Neige geht, wird Marvin mit den herzförmigen, eisernen Plätzchenformen zwei Auftragskiller aufschlitzen, und seine tolle Küche wird über und über in Rot leuchten, dass die übriggebliebenen Plätzchen im Vergleich dazu doch recht blass aussehen.

Die Tradition, am Valentinstag Menschen zu zerfetzen, stammt aus der Zeit der Prohibition, den Jahren von 1919 bis 1933, als in den USA Alkohol verboten war und die Gangsterkartelle sich an illegalem Ausschank dumm und dämlich verdienten. Bei dem sogenannten Saint Valentine’s Day Massacre wurden am 14. Februar 1929 in Chicago sieben schwere Jungs von vier noch schwerer bewaffneten Kollegen eines konkurrierenden Syndikats, die sich zum Teil als Polizisten verkleidet hatten, mit Maschinenpistolen der Marke Thompson (»Chicago Typewriter«) durchsiebt.

»Love Hurts – Liebe tut weh« ist unverhohlen mit dem Ehrgeiz angetreten, das höchstwahrscheinlich von Al Capone in Auftrag gegebene Blutbad aus den Goldenen Zwanzigern massiv zu toppen. (Und damit möglicherweise auch Billy Wilders »Some Like It Hot«, der ebenfalls darauf anspielte.) Der Hintergrund des jeweiligen Geschehens bleibt jedenfalls der gleiche: Beschiss. Al Capone war von einem Partner hintergangen worden.

In »Love Hurts« ist es der Bruder des Plätzchenbäckers, der verarscht wurde. Knuckles (Daniel Wu) trägt seinen Spitznamen nicht ohne Grund, denn »Knöchel«, wie die Übersetzung eigentlich heißt, ist eher ein Knöchelbrecher, also ein Schlagring, der zuweilen in der Unterwelt auch »Knuckle« genannt wird. Am Valentinstag verzichtet Knuckels jedoch auf primitive Gewalt. Er schlürft ganz entspannt seinen Eiskaffee, wohlgemerkt mit einem wiederverwendbaren Strohhalm, also einem aus Glas. Der macht sich auch besser als einer aus Plastik, wenn man das Ding jemandem ins Auge rammt, weil der Halm dabei nicht an der Spitze zusammengedrückt wird und die Flüssigkeit aus dem Kopf besser ablaufen kann. Doch zurück zu Knuckles’ Motiv.

Vor Jahren war ihm gesteckt worden, dass ihn Rose (Ariana DeBose) um mehrere Millionen betrogen hat. Praktischerweise befand sich die abgezweigte Kohle in einer schäbigen Sporttasche in Roses Kofferraum. Marvin, der damals noch keine Kekse für niemand gebacken hat und die rechte Hand seines Bruders war, erhielt den Auftrag, Rose ein neues Zuhause zu besorgen: einen Meter achtzig tief. Tatsächlich hat Marvin dann aber nur den Sender beerdigt, den Rose am Arm trug.

Und nun hat Rose also plötzlich die Nase voll vom ewigen Versteckspiel. Außerdem will sie sich an den Flachwichsern rächen, die sie damals bei ­Knuckles angeschwärzt haben und zudem selbst ordentlich in die Kasse gegriffen hatten. Für ihren kleinen Rachefeldzug benötigt Rose Marvins Hilfe. Sie will jedoch nicht den Marvin, der jedem Anrufer versichert: »Ich habe ein gemütliches Heim für Sie!« Nein, sie will den alten Marvin, die Kung-Fu-Killermaschine.

Für gar nicht mal so schlechte Unterhaltung sorgt, dass Marvin wiederum beides will: Rose helfen und weiterhin familienfreundliche Immobilien verticken. Seine Kunden allerdings finden es gar nicht komisch, wenn sie sich mitten in der Besichtigung in die Speisekammer verkriechen müssen, während im Schlafzimmer die Maschinenpistolen rattern. Aber Rose ist nun mal eine tolle Frau. Und was tut man nicht alles aus Liebe, gerade am Valentinstag?

Was das Massaker in Chicago betrifft: Es ist niemals irgendwer deswegen angeklagt oder gar verurteilt worden. Eines der Opfer, der Gangster Frank Gusenberg, konnte als einziger lebend in ein Krankenhaus eingeliefert werden, wo er noch ganze drei Stunden lang bei vollem Bewusstsein blieb. Er beteuerte bis zum Schluss, nichts gesehen zu haben. Das nenne ich mal ein Valentinstagsgeschenk.

»Love Hurts – Liebe tut weh«, Regie: Jonathan Eusebio, USA 2025, 83 Min., Kinostart: heute

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