Begrenzte Spielräume
Von Jörg Kronauer![3.jpg](/img/450/205185.jpg)
Kommen die von Donald Trump angedrohten Zölle auf US-Importe aus der EU nun? Die erste Runde der großen Zollschlachten, die der US-Präsident schon vor seiner Wahl angekündigt hatte, ist in vollem Gang, zum Teil sogar schon wieder abgeflaut: Zölle in Höhe von zehn Prozent auf sämtliche Einfuhren aus China sind in Kraft, Zölle in Höhe von 25 Prozent auf sämtliche Einfuhren aus Mexiko und aus Kanada sind verhängt, aber bereits für 30 Tage ausgesetzt. Darauf hatte sich Trump eingelassen, nachdem Mexiko und Kanada nicht nur gezielt Gegenzölle verhängt, sondern insbesondere US-Forderungen zur Abschottung der Grenzen gegen Flüchtlinge und Drogen erfüllt hatten, um die es in der ersten Zollkriegsrunde ging. Es steht aber – unabhängig von der Frage, wie sich diese erste Runde weiterentwickelt – wohl mindestens eine zweite Runde bevor, in der Trump Staaten mit Zöllen belegen will, die die USA, wie er es formuliert, beim Warentausch »unfair« behandeln. Wo und wie dies der Fall sein soll, untersuchen US-Ministerien derzeit. Bis zum 1. April sollen sie Resultate vorlegen. Möglicherweise geht es dann in die zweite Zollrunde.
Die EU behauptet seit Wochen, sie sei gut vorbereitet und werde, wie Bundeskanzler Olaf Scholz es am Montag formulierte, »auf Zollpolitiken mit Zollpolitiken reagieren«, also Vergeltungszölle verhängen. Eines ihrer Probleme besteht darin, dass sie viel mehr Waren in die Vereinigten Staaten exportiert, als sie von dort importiert. US-Zölle schaden ihr deshalb viel mehr als EU-Zölle den USA. Zusätzlich eingeschränkt ist die EU dadurch, dass bald eine alte, nie endgültig beigelegte Zollschlacht wieder aufflammen dürfte. Die US-Zölle auf Stahl und Aluminium aus der EU, die Trump einst verhängt hatte, waren unter Joe Biden nicht aufgehoben worden, sondern nur bis Ende März 2025 ausgesetzt. Dasselbe trifft entsprechend auf die EU-Vergeltungszölle zu, mit denen Brüssel gezielt US-Bundesstaaten mit wichtiger Trump-Wählerschaft treffen wollte und die sie deshalb auf Harley-Davidson-Motorräder und auf Whiskey erhoben hatte. Dass Trump diese alten Zölle erneut aussetzt, ist unwahrscheinlich; sie dürften also im April wieder aktiviert werden.
Weil ihre Spielräume begrenzt sind und sie größere Schäden erlitte als die USA, würde die EU eine weitere Zollschlacht am liebsten vermeiden. Sie bietet Washington daher als Zugeständnis an, ihre Einfuhren aus den USA aufzustocken. Doch auch die Optionen, die ihr diesbezüglich zur Verfügung stehen, sind recht begrenzt. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat dafür plädiert, die EU-Staaten könnten größere Mengen an US-Flüssigerdgas kaufen, zumal dessen Bedeutung steigt: Mittlerweile sind 29 Prozent aller EU-Erdgasimporte Flüssigerdgas. Allerdings kommt bereits die Hälfte davon aus den USA. Stocken die EU-Staaten ihre Einfuhren weiter auf, geraten sie in noch stärkere Abhängigkeit. Eine zweite Option bestünde darin, mehr US-Waffen zu kaufen. Dann wäre es freilich Essig mit den Bestrebungen zumindest der großen EU-Staaten, in der Rüstung unabhängig von den USA zu werden. Die Möglichkeit, die Einfuhrzölle auf US-Autos – zehn Prozent – auf jene 2,5 Prozent zu senken, die die USA auf EU-Autos erheben, entfällt: Man müsste dann laut den gängigen globalen Handelsregeln auch die Einfuhrzölle auf Autos aus China senken. Das aber will niemand.
In Ermangelung durchschlagender Optionen im Warenhandel zieht die EU nun laut einem Bericht der Financial Times Vergeltungsmaßnahmen im Dienstleistungshandel in Betracht, in dem die USA einen satten Überschuss erzielen, also verwundbar sind. Konkret geht es um Maßnahmen, die das Silicon Valley treffen – die US-Techkonzerne, die zur Zeit große Nähe zu Trump suchen. Details sind noch nicht bekannt, die Financial Times zitierte jedoch einen EU-Beamten mit der kämpferischen Ankündigung: »Alle Optionen liegen auf dem Tisch.« EU-Handelskommissar Maroš Šefčovič bekräftigte am Dienstag nach einem informellen Treffen der EU-Handelsminister: »Wenn wir getroffen werden, werden wir entschlossen reagieren.« Zwar gibt es Widerstände – dem Vernehmen nach vor allem bei einigen osteuropäischen Mitgliedstaaten, die die US-Regierung nicht verärgern wollen –, doch reicht die qualifizierte Mehrheit von 15 der 27 EU-Länder aus, um Handelssanktionen zu beschließen. Der wunde Punkt: Das dauert. Als die EU vor Jahren ihre Vergeltungszölle auf Harley Davidsons und Whiskey beschloss, brauchte sie dafür drei Monate. Frankreichs Außenhandelsminister Laurent Saint-Martin drängelte am Dienstag etwas genervt: »Geschwindigkeit ist einer der Schlüsselfaktoren.«
Die Option, in den Zollschlachten mit Washington auf die US-Techkonzerne zu zielen, ist keine Erfindung der EU, sie rückt allgemein stärker in den Blick. China etwa hat am Dienstag eine kartellrechtliche Untersuchung gegen Google eingeleitet. Der Schaden für den Konzern dürfte gering sein: Seine Suchmaschine ist in der Volksrepublik genauso gesperrt wie sein Mailservice und sein Browser Chrome, nur in Nischen werden dort Google-Produkte genutzt. Allerdings darf man die Maßnahme als Wink mit der Dachlatte verstehen – denn andere US-Techkonzerne sind durchaus auf den chinesischen Markt angewiesen. Einen könnte es schon in Kürze erwischen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg meldete jedenfalls am Mittwoch, die chinesische Kartellbehörde bereite eine Untersuchung gegen den App Store von Apple vor. Das verspricht interessant zu werden. Apple hat in der Volksrepublik ohnehin mit Problemen zu kämpfen, unter anderem damit, dass der Absatz seiner I-Phones zurückgeht – nicht zuletzt, weil sein Rivale Huawei den US-Sanktionen trotzt. Der I-Phone-Absatz in China brach im Jahr 2024 um 17 Prozent ein, mehr als je zuvor. Auch der Konzernumsatz ging dort zurück, im letzten Quartal 2024 um elf Prozent. Ärger mit den chinesischen Behörden wäre genau das, was Apple in dieser Situation überhaupt nicht braucht.
Hintergrund: Außenhandelsdefizit
Die neue Außenhandelsstatistik, die das US-Handelsministerium am Mittwoch vorgelegt hat, zeigt: Das US-Handelsdefizit, das Präsident Donald Trump stets lauthals beklagt, ist ein weiteres Mal gestiegen. Nimmt man den Handel mit Gütern und Dienstleistungen zusammen – bei den Dienstleistungen verzeichnen die Vereinigten Staaten einen Überschuss –, dann ergibt sich ein Defizit von rund 918 Milliarden US-Dollar, erheblich mehr als im Vorjahr, als es noch bei rund 785 Milliarden US-Dollar lag. Berechnet man das Defizit im Güterhandel allein, kommt man auf 1,212 Billionen US-Dollar – ein Allzeithoch. Die Summe ist ein wenig verzerrt: Weil alle Welt damit rechnete, dass Trump Zölle verhängen werde, kauften US-Importeure im Dezember bei ihren ausländischen Lieferanten so viel wie irgend möglich auf Vorrat ein, um sich die bald anfallenden Zölle zu sparen. Doch auch wenn man das einrechnet: Das US-Handelsdefizit ist wirklich hoch.
Damit hängt zusammen, dass die USA, was ihre Gesamtwirtschaft angeht, in den Trumpschen Zollschlachten weniger zu verlieren haben als die Gegenseite. Aus China etwa importierten sie im vergangenen Jahr Güter im Wert von 439 Milliarden US-Dollar, während sie Güter im Wert von nur 144 Milliarden US-Dollar exportierten. Lohnen sich Chinas Lieferungen in die USA aufgrund hoher Zölle nicht mehr, dann trifft das chinesische Waren im Wert von bis zu 439 Milliarden US-Dollar – ein heftiges Beben für die Volksrepublik, eine viel schwächere Erschütterung für die USA. Was die EU betrifft: Sie exportierte im Jahr 2024 Güter im Wert von 606 Milliarden US-Dollar in die Vereinigten Staaten, importierte von dort aber nur Güter im Wert von 370 Milliarden US-Dollar. Bliebe sie zollbedingt auf ihren Waren sitzen, wöge das gleichfalls schwerer als zollbedingt wegbrechende Ausfuhren nach Europa für die USA. Es steht auf einem anderen Blatt, dass für US-Zölle im richtigen Leben letztlich vor allem US-Verbraucher aufkommen. Solange die nicht aufmucken, lohnen sich die Zollschlachten für das US-Kapital. (jk)
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