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Aus: Ausgabe vom 01.02.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Hardcore-Konkurrenzkampf

Audi goes to Hollywood

BRD-Autobranche drohen Milliardenverluste. VW reagiert auf Trump-Pläne und plant Ausbau der US-Produktion
Von Klaus Fischer
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Für bessere Arbeitsbedingungen: Audi-Beschäftigte protestieren vor der Konzernzentrale in Ingolstadt (29.10.2024)

Im globalen Konkurrenzkampf um Macht, Einfluss, Ressourcen und Profite weht ein neuer – aber allzu bekannter Wind. Der imperialistische Impetus feiert ein lautes Comeback. Ganz vorne die USA unter Präsident Donald Trump. Haben Bundesregierung und deutsche Autobosse noch im vergangenen Sommer auf einen Sieg von Kamala Harris gehofft, steht jetzt das bisherige US-Geschäftsmodell in Frage. Und das ist nur eines der drei Hauptprobleme der langjährigen Vorzeigebranche.

»Ich will, dass deutsche Autokonzerne zu amerikanischen Autokonzernen werden«, sagte Trump bei einem Wahlkampfauftritt im US-Bundesstaat Georgia Ende September. »Ich will, dass sie ihre Fabriken hier bauen.« Sollte diese Forderung nicht erfüllt werden, drohen Einfuhrzölle von bis zu 25 Prozent. Unternehmensfachleute begannen zu rechnen – und das Ergebnis war alarmierend: Allein die Volkswagen AG würde rund 15 Prozent des bisherigen Betriebsgewinns im Jahr einbüßen – rund 2,8 Milliarden Euro, wie das Handelsblatt am Freitag berichtete.

Deutschlands Automobilindustrie stand lange Zeit auf drei Säulen: Kooperation mit China, starker Absatz in den USA und stabiler Markt in Deutschland und der EU. VW und die großen Töchter Audi, Porsche, Skoda und Seat konnten ebenso wie BMW und Mercedes-Benz auf eine gute Produktionsinfrastruktur an den deutschen und EU-Standorten zurückgreifen – und auf einen Pool hochqualifizierter Beschäftigter. Davon profitierten nicht nur die Großaktionäre Porsche/Piëch, Katar und Niedersachsen. Auch die Arbeiter und Ingenieure am Standort hatten gute Zeiten. Lange zählten sie zu den bestbezahlten abhängig Beschäftigten weltweit.

Dieses System steht vor der Abwicklung. Beijing wird mit Sanktionen auf EU-Ebene traktiert. Verbale – sowie legislative – Attacken des Politpersonals haben den Kredit bei der KP-Chinas und der kauffreudigen Bevölkerung im 1,4 Milliarden-Einwohner-Staat deutlich verringert. Zugleich sind chinesische Autobauer vom Juniorpartner zum größten Konkurrenten auf dem dortigen Markt geworden – dem wichtigsten für die deutschen Konzerne, noch vor den USA.

Hinzu kommt die mit Eifer und wenig Sachverstand exekutierte BRD- Industriepolitik. Die grüne Transformation wurde trotz grundsätzlich veränderter Verwertungsbedingungen durchgesetzt. Flexibilität war nicht gefragt. Und alle – Konzernchefs, Gewerkschaften, Beschäftigte – fanden es anscheinend prima. Gestiegene Rohstoff- und Energiepreise wegen der Konfrontation mit Russland – kein Problem. Hauptsache, das Porträt des zuständigen Ministers belehrt uns auf aktuellen Wahlkampfplakaten mit »Zuversicht«.

Jetzt beginnt das Umdenken – und wird zum Schock für IG-Metall, Facharbeiter, deren Familien, Zulieferer, Dienstleister und Kommunen an den Standorten. Denn letztere sind in Gefahr. Und nicht nur, weil die Politik hartleibig, das Management gehorsam und die Gewerkschaften sorglos waren. Dabei hätte der Blick auf die Absatzzahlen von Elektrofahrzeugen genügt. Die sinken. Und sinken weiter, obwohl Milliardensummen in die gepriesene Zukunftstechnologie geflossen sind – und fließen. Hier drohen gigantische Abschreibungen. Deshalb will VW nicht nur allgemein »sparen«. Jetzt drohen Lohnverzicht und tatsächliche Werksschließungen wegen des womöglich wegbrechenden US-Geschäfts und der allgemeinen Krisenlage.

»Go West«, heißt die Devise. Nein, nicht nach Hollywood, wo E-Autos im woken und reichen Kalifornien noch gute Kundschaft haben. Ziel sind die gewerkschaftsarmen Südstaaten. Dort haben die BRD-Riesen bereits US-Dependancen – was man Trump wohl nicht gesagt hat. BMW betreibt in Spartanburg/South Carolina sogar sein weltweit größtes Werk (450.000 Fahrzeuge im Jahr), wie das Handelsblatt schrieb. VW hängt mit seinem Standort Chattanooga/Tennessee zurück, muss reagieren. Denn auch die Einfuhren aus Mexiko, wo der Wolfsburger Konzern einen großen, »preisgünstigen« Produktionsstandort betreibt, werden wohl bald die Zollpeitsche spüren. Was vor allem Audi trifft, denn dessen Modelle werden ebenso wie die von Porsche (noch) nicht in den USA produziert.

Die Beschäftigten und ihre Gewerkschaft in Deutschland reagieren mit eher hilflosen Drohgebärden auf die Gefahren. Bei Audi herrscht aktuell Aufregung wegen einer von der IG -Metall geleakten »Liste des Grauens«. Darin »Pläne«, die im besten Falle zu erheblichen Einkommenseinbußen, im schlechtesten zu Jobverlusten führen dürften. Mit Blick auf Weltlage und sinkende Profite dürfte es der angekündigte Widerstand allerdings schwer haben.

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