Kickl im Wartestand
Von Florian Neuner![Nach_den_gescheitert_85026350.jpg](/img/450/205450.jpg)
Ohne die seit Jahren von Korruptionsskandalen gebeutelte ÖVP ist in Österreich keine Regierung denkbar. Gleichzeitig hat die ÖVP bewiesen, dass sie mit keiner der im Nationalrat vertretenen Parteien eine Regierung zustande bringt. Das ist in Kürze die Lage. Der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler, ein braver Sozialdemokrat, gilt den Konservativen als Gefahr von links außen, FPÖ-Chef und Möchtegernvolkskanzler Herbert Kickl als Sicherheitsrisiko, weil außenpolitisch nicht auf NATO-Kurs, und das Verhältnis zu den Grünen, dem Koalitionspartner in den vergangenen fünf Jahren, ist ohnehin zerrüttet. Dass die ÖVP ein Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ in Kauf nahm, von dem sie nicht profitieren wird, überrascht und ist wohl nur mit Querelen in der Partei erklärbar. Denn niemand glaubt im Ernst, dass grundsätzliche Bedenken gegen einen möglichen autoritären Kurs der FPÖ den Ausschlag gegeben haben, seit die ÖVP Anfang Januar ihren Kurs verlassen hat, Herbert Kickl um jeden Preis zu verhindern.
Nachdem Kickl am Mittwoch den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgegeben hat, sind viele erleichtert: die möglichen Opfer einer rigiden Migrationspolitik und des »wirtschaftsfreundlichen« Sozialabbaus, den die FPÖ – ihrem Slogan von der »sozialen Heimatpartei« zum Hohn – mit der ÖVP durchgezogen hätte; die »Europäer« in Brüssel, die einen Regierungschef in Wien fürchteten, der im Schulterschluss mit Viktor Orbán und Robert Fico die Opposition zum Sanktionskurs gegen Russland und zu den Milliardengeschenken an die Ukraine gestärkt hätte; diejenigen schließlich, die eine empfindliche Schwächung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und eine andere Verteilung der Fördergelder, die FPÖ-nahe Medien bevorzugen würde, kommen sahen.
Sind diese »Gefahren« aber nun abgewendet? Nein. Herbert Kickl kann sich erst mal zurücklehnen. Ob er zu hoch gepokert hat, vielleicht auch gar keine Lust hatte, einer Regierung unter Sparzwängen vorzustehen, oder ob die intern zerstrittene ÖVP ihrem Interimsobmann und Chefverhandler Christian Stocker in die Parade gefahren ist – das beschäftigt zwar die Medien, ist aber letztlich nicht entscheidend. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat neben Neuwahlen drei weitere Varianten ins Spiel gebracht: eine Wiederaufnahme der bereits einmal gescheiterten Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ, eine Minderheitsregierung und eine sogenannte Expertenregierung. In allen drei Szenarien sind nur schwer andere Profiteure vorstellbar als Herbert Kickl und die FPÖ.
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