Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Dein roter Faden in wirren Zeiten
Aus: Ausgabe vom 14.02.2025, Seite 10 / Feuilleton
Landlust

Plakat

Aus der Provinz
Von Jürgen Roth
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»Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott«, und das Wort war »Baerbock«?

An der Straßenecke hing bis vorgestern an einem Laternenpfahl ein Plakat. Auf ihm zu sehen war eine approximativ weggetreten grienende Außenministerin, unter ihrem Konterfei stand: »Zusammen. Ein Mensch. Ein Wort.«

Im »Seven Bistro« begann ich nach drei herzhaften Schlucken Gutmann zu grübeln. Wie soll man die Botschaft dieser rattenscharfen Partei verstehen, wie das Adverb »zusammen« auslegen oder ergänzen? Was möchten sie uns sagen mit diesem Zusammen, diesem anheimelnden, deutschmuffigen Zusammensein oder Zusammentun?

Müssen wir die Zähne zusammenbeißen? Uns gefälligst zusammennehmen und noch den hinterletzten grünen Dreck schlucken? Und uns zusammenrotten im Dienste der Bezwingung des Klimas? Und deshalb hat unser schmales Einkommen naturgemäß weiter zusammenzuschrumpfen, und zwar im Sinne des »grünen Wirtschaftswunders«? Bis endlich alles zusammenstürzt?

Oder: zusammen saufen, zusammen rumgrölen, alsdann zusammen den Russen über den Haufen schießen?

Oder will diese Trulla jeden, der sie nicht wählt, hinterher persönlich zusammenstauchen, zusammenfalten, zusammenscheißen, auf einer bundesweiten Nachwahlkampftour? Oder sollen wir alle zusammen, assoziierte ich vor mich hin, eine Szene aus G. Grassens »Katz und Maus« nachstellen und zusammen weitwichsen? Oder uns doch, genitalpraktisch anders orientiert, gemäß dem hermeneutischen Hinweis von Freund Maier verhalten, der erzählt, in den achtziger Jahren habe man geprahlt: »Wir kamen zusammen, zusammen zu samen«?

Und »Ein Mensch«? Pontius Pilatus? »Ecce homo«? »Sehet, welch ein Mensch!«? Ist die rallige, bombige, friedensgeile Baerbock eine Deszendentin Jesu? Folglich die erste Jesa?

Und – ich griff zu einem dreifachen Untermenschenschnaps, um die Rübe zu kalmieren, man wird da ja ganz wuschig –: »Ein Wort«? Spielen die Tröten und noetischen Komplettausfälle dieser gnadenlosen Postenbeschaffervereinigung tatsächlich darauf an, die himmlische Madame sei eine Welterschafferin, die Schöpferin einer feministischen Globalgesellschaft? »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott«, und das Wort war »Baerbock«?

Warum hing das Plakat nicht mehr an dem Laternenpfahl? Entweder war es unter der Last seiner so enigmatischen wie anmaßenden Bedeutung zusammengebrochen, oder einer der Theologen, die in N. in Kompaniestärke herumspazieren, hatte gedacht: Jeder Mensch hat das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, und glaubt er, so glaube er im stillen an den Allmächtigen. Und also hatte er all seinen Mut zusammengenommen und das »Schandwerk« (Polt: »1705«) nachts, nachdem die Straßenbeleuchtung erloschen war, herunter- und in Stücke gerissen und so vom gottverlassenen Erdboden getilgt.

Meinen Segen hätte er gehabt. Oder hat er.

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