Dein roter Faden in wirren Zeiten
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Aus: Ausgabe vom 18.02.2025, Seite 8 / Ansichten

Wunderwirtschaft

Hochstimmung wegen Aufrüstung
Von Arnold Schölzel
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Der Wirt schafft Skål!

Donald Trumps Stellvertreter hat das wenige, was sein Chef von der Weltordnung stehen ließ, am Freitag in München weggerissen? Katzenjammer in Deutschland? EU-Europäer und Deutsche am Katzentisch? Mag für Boris Pistorius zutreffen, aber zumindest eine Zunft ist frei von Schock und Furcht: Die deutschen Wirtschaftswissenschaftler, jedenfalls die, die in Agenturen und Qualitätsmedien zitiert werden. Ihr anschwellender Gesang am Montag kannte nur einen Ton und drei Worte: Rüsten, rüsten, rüsten. Dann komme nämlich »die« Wirtschaft, die im dritten Jahr schrumpft, wieder in Gang. Das Wirtschaftswunder durch Energiewendetechnik, das die Scholz, Habeck und Lindner 2021 versprochen hatten und an das sogar der grimmige Bundesverband der Industrie geglaubt hatte, ist erledigt.

Wie im Fieber halluzinieren nun die Kapazitäten des Kapitals unisono, das Wirtschaften mit Panzern, Raketen, Bomben und sonstigem Kriegskram werde Wunder wirken. Noch vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz verordnete BDI-Chef Peter Leibinger am Donnerstag der Bundesrepublik eine »enorme Aufholjagd« im Militärsektor, antwortete der Kanzler noch am selben Tag mit einem langfristigen Finanzierungsplan. Bei solchem Vorsprung hatten die Ökonomen Mühe mitzuhalten.

Am Montag aber sprinteten sie nach vorn. Denn das Rattenrennen der Rüstungsaktien brachte neue Kursrekorde an den EU-Börsen, Rheinmetall schoss bis zu elf Prozent nach oben und der Konzernchef versicherte, das werde auch bei Frieden in der Ukraine so bleiben. Sonst greift laut Pistorius etc. der Russe übermorgen an. Das ergänzte die Wirtschaftsprofessorenschaft gelehrsam, zum Beispiel Clemens »Kanonen statt Butter« Fuest (Ifo-Institut) laut Reuters: »Die große Frage sei, wie schaffe und finanziere man mehr Militärausgaben.« Moritz Schularick (IfW Kiel): »Wir müssen jetzt schnell in den nächsten zwei bis drei Jahren mit extrem hoher Geschwindigkeit in vielen Bereichen der Verteidigung Kapazitäten aufbauen«. Das koste viel, werde aber die Konjunktur anschieben, ein »europäisches Manhattan-Projekt« müsse her. Es geht offenbar um Weltkrieg und Atombombe. Vollzug meldete noch am selben Tag der Laserspezialist Trumpf: Einstieg in die Rüstungsbranche. Am Mittag triumphierte n-tv: »Deutschland ist ein Hotspot für Hightechwaffen.« Usw.

8. Mai

Was ist verglichen mit solchem Taumel eine JD-Vance-Tirade auf einer in die Jahre gekommenen Kriegsberatungskonferenz? Jedenfalls keinen Kopfschmerz wert.

Nach den Pariser Verträgen, mit denen die BRD vor 70 Jahren in die NATO kam, notierte Brecht: »Die Kapitalisten wollen keinen Krieg. Sie müssen ihn wollen. Die deutschen Kapitalisten haben zwei Möglichkeiten in einem Krieg. 1. Sie verraten Deutschland und liefern es an die USA aus (Pétain). 2. Sie betrügen die USA und setzen sich an die Spitze.« Sie nehmen sich wieder einmal die Wahl.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (18. Februar 2025 um 01:16 Uhr)
    Aber, Herr Schölzel, warum sollte das maximierte, preisminimierte, fremdfinanzierte Rüstungsoptimierte hier stattfinden? Wer fällt bei der profitabelsten Standortsuche auf die Herkunft zurück, wenn die doch der Anlass/Grund für die Suche war? Als wären die Börsenwerte abends um zehn vor acht auf ARD für mehr als die wenigsten von Bedeutung. Andersrum läufts: Die Notierungen und Spekulationen/Primärrenditen belegen den Abschwung des BIP in der BRD, zumindest am Dollarstand gemessen (was seit etwa zwei Jahrzehnten kein realistischer Vergleichsstandard mehr ist, v.a. nicht mehr zwischen den USA und der VR China, die wohl bereits im Jahre 2019 die Vorherrschaft übernommen hat). Wie geht es schließlich aus? Herrn Trump wird sein erster Friedensnobelpreis verliehen. Dafür, dass sämtliche Staaten, die es brauchen, wieder Öl und Gas aus Sibirien bekommen, verzichtet W. Selenski darauf, dass aus der Ukraine ein zweites Afghanistan (was immer er und seine Experten da geplant hatten) wird. Eurasien wäre das nächste Ziel! Wen von uns juckts, ob Nordzypern zum Moskauer Kreml gehört oder Formosa/Republik China/Taiwan zur Lausitz? War schon einleuchtend, was Sergej Lawrow fragte: »Warum mit denen reden, die diesen Krieg immer fortsetzen wollen?« – Ach: Sie hatten vergessen, wie diese Kriege in der Ostukraine im Jahre 2013 begonnen haben? Wissen nichts davon, dass elf Parteien verboten wurden, Bücher zum Beispiel von Tolstoi, Dostojewski, Lomonossow, Puschkin auch, Tschaikowski-Aufführungen verboten? Und hatten nicht die Finger im Spiel? Nie von Frau Victoria Nuland und den 5,5 Milliarden US-Dollars erfahren, die sich die Regierung der USA damals in der Ukraine kosten ließ? Nichts von ihrer Absage »Fuck the EU!«, um ihren Ministerpräsidenten im Sinne der Regierung zu installieren? – Wie Manifest ist ein Staat, der zum Hauptfeind erklärt und vom NATO-Pakt umklammert ist? Wie sicher sind Friedenserklärungen mit diesem Hintergrund?

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