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Aus: Ausgabe vom 18.02.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Italien

Melonis Dilemma

Rückgang der Industrieproduktion, US-Zollpolitik und Aussicht auf Schub durch Panzerherstellung
Von Gerhard Feldbauer
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Größtes europäisches Schiffbauunternehmen Fincantieri: »Made in Italy« ist derweil kein Exportschlager mehr

Es war keine Überraschung, dass Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nicht an der am Sonntag zu Ende gegangenen Münchner »Sicherheitskonferenz« (MSK) teilnahm. Damit drückte sie sich abermals um eine Stellungnahme zur neuen Regierung unter Donald Trump bzw. seinem Vize J. D. Vance. Meloni habe eine »Grippeerkrankung«, meldete ANSA am Wochenende. Das zweifelte indes das einflussreiche Wirtschaftsblatt Il Fatto Quotidiano an – und vermutete für das Nichterscheinen »sehr schwerwiegende politische Gründe«. Auch zum eilig am Montag nach Paris einberufenen EU-Gipfel fuhr sie nicht.

Gründe für Melonis Abstinenz könnten folgende sein: Bereits am vergangenen Freitag hatte das staatliche Statistikamt ISTAT verdeutlicht, dass Trump Italiens letzte Hoffnung sei, den Rückgang der Industrieproduktion des Landes aufzuhalten. Die Produktionsleistung ist demnach im Dezember 2024 im Vergleich zu den 23 Monaten davor um 3,1 Prozent zurückgegangen. Würde Trump Italien in seine angekündigte Zollpolitik einbeziehen, wäre das für das Bel paese eine Katastrophe. US-Zölle zwischen zehn und 25 Prozent wären für zahlreiche italienische Firmen aus der Textil-, Möbel-, Automobil- und Lebensmittelbranche, die rund ein Viertel hiesiger Ausfuhren ausmachen, kaum verkraftbar.

Also »Made in Italy« kein Exportschlager mehr? Wahrscheinlich. Deshalb agiert Meloni so zurückhaltend, was die US-Politik betrifft. Auch hinsichtlich der Expansionsgelüste gen Grönland, Panama oder den Gazastreifen. Im Gegensatz zur EU mit der BRD und Frankreich an der Spitze, die vor einem Handelskrieg und hegemonialen Bestrebungen warnen. Besonders problematisch ist für Meloni Trumps jüngster Coup, mittels Verhandlungen den Ukraine-Krieg zu beenden. Unter Akzeptanz der Gebietsgewinne Moskaus, wohlgemerkt. Zumal in München das Scheitern der ihr zugedachten Rolle als Brückenbauer zwischen Trump und der EU zutage getreten ist. Welche Rolle ein laut dem Mailänder Il Giornale für diesen Dienstag geplanter Besuch Melonis in Kiew spielen wird, bleibt offen.

Das Dilemma der Regierungschefin Italiens wird vor allem hierin deutlich: Im Schatten des Uktraine-Kriegs und der Verketzerung Russlands zum Hauptaggressor Europas haben die 100 größten italienischen Rüstungsunternehmen von 2021 bis 2023 einen kumulierten Nettogewinn von 4,5 Milliarden Euro erzielt. An der Spitze stehen laut einem jüngsten Bericht der italienischen Mediobanca die beiden staatlich kontrollierten Konzerne Leonardo und Fincantieri, deren Gesamtumsatz 2023 auf 40,7 Milliarden Euro beziffert wurde.

Der Rüstungs- und Weltraumkonzern Leonardo schloss im Dezember 2024 ein Joint Venture, »Global Combat Air Programme«, mit der britischen BAE Systems und Japan Aircraft Industrial Enhancement Co. (JAIEC) zur Entwicklung eines neuen Kampfflugzeugs, um, wie es hieß, »den zunehmenden Sicherheitsbedrohungen durch Russland und China zu begegnen«. Im Januar 2025 folgte ein Joint Venture mit der Düsseldorfer Kriegsschmiede Rheinmetall. Ein neuer Kampf- und Schützenpanzer soll gebaut werden, der die Rheinmetall-Typen »Panther« und »Lynx« weiterentwickelt. Davon profitiert dann ferner die italienische Armee, die mehrere hundert Exemplare mit einem Bestellwert von bis zu 23 Milliarden Euro ordern will. Hier dürfte Melonis Freund aus der Partei Brüder Italiens (FdI), Verteidigungsminister Guido Grosetto und Expräsident von Leonardo, ein gewichtiges Wort mitzureden haben.

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