Was er alles so sagte
Von Andreas Gläser
Sonnabend vormittag. Die Sonne strahlt durch das blau-weiße Himmelsfirmament. Riesige Schneeflocken fallen sanft nieder. Da schlendere ich gerne durch den Park, am Kunstrasenplatz vorbei, zur Kaufhalle. Ich treffe einen mir flüchtig Bekannten, er steht am verschlossenen Eingang des Kreisligaareals und bewundert durch den Zaun hindurch die Decke des etwa elf Zentimeter hohen Neuschnees. »Wat sachste dazu?« scherze ich ihn an. »Sagen die einfach alle Spiele ab.« – »Ja, wir sollen zu Hause Kinderprogramm kieken, oder Diskussionen mit Wahlkandidaten«, entgegnet er. Ich antworte: »Ach, so richtich rücken die mit der Sprache sowieso nich raus.« – »Wer jetze jenau, der Olaf?«, hakt er nach. »Dit kann ick dir sagen, wat der allet jeäußert hat, bei der Party.«
Ich werde neugierig und wende meinen ausschweifenden Blick von der wunderschönen Winterlandschaft ab. Wir sehen einander in unsere von der vorübergehenden Schneeblindheit bedrohten gläsernen Augen. Er entführt mich in die Weiten des Wissens, welches er wohl aus dem Internet hat. »Der Olaf hat jesacht: ›Du Hofnarr, und vor allem och ihr Tempelstufenhocker, da hinten, die ihr euch übert Bankett hermacht. Ihr lebt alle in eurer Spaßblase, habt keen solidet Handwerk jelernt. Ihr Künstler, die ihr in euren Theatern dit ewije Existenzialisten-Jebrabbel vom Staat jefördert bekommen wollt‹.« Ich frage dazwischen, ob Olaf echt so scharf berlinert hätte? »Nee, aber ick übersetze glei, damit dit Wesentliche der Party festjehalten wird«, herrscht er mich an. Wir sehen auf das blütenweiße Sportareal ohne Spieler und ohne Anhänger, dem Traumbild aller Fußballhasser.
Mein Kumpel monologisiert flott weiter: »Ihr Hofnarren und Kuschelrocker, die ihr jahrein und jahraus den juten alten Rio Reiser verschlagert, indem ihr einen auf ›Junimond‹ und ›Für immer und dich‹ macht, anstatt mit Songs wie ›Der Kampf jeht weiter‹, ›Menschenfresser‹ oder ›Sklavenhändler‹ mal einen rauszuhauen. Ihr Dachetagen-Punks, ihr staatlich legitimierten Beutelschneider! Ihr Sprachchamäleons, die ihr euch in einijen Internetforen mit den Dümmsten jemein macht, indem ihr deren Rechtschreibfehler wiederholt, um volksnah rüberzukommen. Aber in euren Jewerkschaften, PC-Betrieben, Ämtern und Bildungsstätten, da jendert ihr, die eijene Muttersprache verachtend, vor euch hin. Ihr Verbots- und Umbenennungsfuzzies! Wenn jedoch die Wahlen ein blauet Wunder mit sich bringen, zieht ihr den entsprechenden Mitgliedsantrach aus der Schublade, ihr Putin-Knechte!«
Ich unterbreche ihn: »War er angetrunken? Sympathisch! Bleibt Olaf unser Kanzler?« Er entgegnet trocken: »Dit willste wissen, deshalb frachste, wa?« – »Ey, jetz is jenuch!« – »Olaf wohnt in unserm Kiez. Ick wa uff der Party.« – »Ick jeh einkoofen.« – »Mach mal. Butter wird knapp.«
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