Milei in der Defensive
Von Frederic Schnatterer
»Bis hierhin lief’s noch ganz gut«, mag sich der argentinische Präsident Javier Milei gedacht haben. Das heißt: Bis zum Wochenende, als er selbst die bislang größte Krise seiner Regierung lostrat. Seitdem zieht der Skandal um die Kryptowährung $ Libra, in dessen Zentrum der Staatschef steht, immer weitere Kreise. Zurück bleiben einige wenige, die Millionengewinne eingefahren haben, und Tausende, die ärmer geworden sind. Und ein Präsident, der sich glücklich schätzen kann, sollte die einzige Folge für ihn der Gesichtsverlust bleiben.
Dabei war bisher für den Marktradikalen alles nach Plan gelaufen. Obwohl er Argentinien unverzüglich einer neoliberalen Schocktherapie unterzogen hat, deren Auswirkungen für den Großteil der Bevölkerung verheerend sind, konnte Milei bislang reibungslos durchregieren. Trotz des Einbruchs der Kaufkraft, trotz der hohen Armutsrate, trotz der menschenverachtenden Politik vertrauten viele Argentinier darauf, dass der Ökonom das leidgeplagte Land aus der Krise führen würde.
Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Milei als Betrüger auftritt. Bereits 2021, damals noch als Abgeordneter, bewarb der Anarchokapitalist eine Kryptowährung, die sich als »Shitcoin« herausstellte. Der Modus operandi war der gleiche wie am Wochenende: Käufer wurden via Social Media angelockt, bevor die Bewertung von CoinX den Nullpunkt erreichte. In einem Interview gab Milei damals zu, Geld dafür bekommen zu haben.
Ob das auch diesmal der Fall war, muss noch geklärt werden. Trotzdem hat der Skandal vom Wochenende schon jetzt eine andere Dimension. Heute ist Milei Präsident, der mächtigste Mann Argentiniens. Auch wenn er mantraartig wiederholt, er habe als »Privatperson« gehandelt: Millionen Menschen vertrauten Milei, gerade weil er sich als Experte für Wirtschaft und Finanzen geriert. Dieses Vertrauen ist zumindest bei Teilen der Bevölkerung dahin.
Was weder der starke Gewerkschaftsbund CGT noch die politisch relevante Frauen- und LGBTIQ-Bewegung geschafft haben, hat sich Milei nun selbst eingebrockt. Erstmals seit seinem Amtsantritt im Dezember 2023 befindet sich der Präsident politisch in der Defensive. Doch auch wenn die Opposition entsprechend euphorisch ist und versucht, ein Amtsenthebungsverfahren anzustrengen: Es ist nicht anzunehmen, dass Milei über den Skandal stolpern wird. Ein Vorher und ein Nachher markiert die Episode allerdings schon. Sie hat einmal mehr vor Augen geführt, worin Mileis Wirtschaftsmodell besteht: Einige wenige Raubtiere haben die absolute Freiheit, die Schwächeren zu fressen.
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