Auf der schwarzen Liste
Von Marc Bebenroth
Der liberale Anstrich hat ausgedient, die herrschende Klasse setzt auf reaktionäre Kräfte. CDU-Chef Friedrich Merz steht bereit, um als nächster Bundeskanzler die autoritäre Politik von SPD und Grünen fortzusetzen – nicht nur beim sogenannten Bürgergeld, der Aufrüstung oder der Migrationspolitik. So war es nicht nur eine Polterparole, als der Finanzlobbyist und Millionär Merz zum Wahlkampfabschluss im Bierkeller des Münchner Löwenbräu vergangene Woche ausrief, dass er »nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt, die da draußen rumlaufen«, Politik mache.
CDU und CSU bereiten ihre Rückkehr auf die Regierungsbank schon lange vor. Mit ihrer neuesten und umfangreichen parlamentarischen Anfrage zur staatlichen Finanzierung diverser Initiativen, Stiftungen und Vereine nehmen die Parteien mehr als nur Revanche für die gegen sie gerichteten Großdemonstrationen der vergangenen Wochen. Mit ihren Fragen legen sie offen, wer es auf ihre schwarze Liste geschafft hat.
Vom Medienhaus Correctiv über die »Omas gegen rechts« bis hin zum Kampagnenverein Campact arbeitet sich die Anfrage an wirkmächtigen, aber inoffiziellen Vorfeldorganisationen von SPD und Grünen ab. Namen wie ATTAC, PETA, BUND oder Deutsche Umwelthilfe sind den Kapitalfraktionen hinter der Union ein Dorn im Auge, dürfen im Fragenkatalog deshalb nicht fehlen. Aber auch die betont proisraelische Amadeu-Antonio-Stiftung hat es sich offensichtlich mit der Union verscherzt.
Die Empörung über die Anfrage als solche ist verlogen. Die Akteure erregen sich vielmehr über das, was diese Feindmarkierung bezwecken dürfte: Wer auch künftig von den vermutlich zusammengestrichenen Fördertöpfen des Bundes etwas abhaben will, spart besser mit Kritik an einem CSU- oder CDU-geführten Ministerium und ordnet sich unter. Falls die neue Bundesregierung tatsächlich den genannten Organisationen den Geldhahn zudreht oder ganze Förderprogramme einstampft, trifft es zunächst jene liberalen Mobilisierungs- und Kampagnennetzwerke – aber im Kleinen eventuell auch lokal relevante Projekte, die sich gegen Rechtsruck und rechte Gewalt engagieren.
Die nicht unbegründete Schadenfreude, die sich bei Sozialisten, Kommunisten und Marxisten aller Couleur einstellen mag, sollte deshalb nicht zu lange anhalten. Wer sich als Linker heute über politische Attacken gegen regierungstreue Organisationen freut, die sich für Hetze gegen Palästinenser oder Kampagnen gegen »Linksextreme« nicht zu fein sind, könnte als nächstes oder übernächstes fällig sein.
Siehe auch
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Mehr aus: Ansichten
-
Krisenlöser Kriegsgerät
vom 27.02.2025