Vergiftete Zuckerl
Von Florian Neuner
Das hätte man bereits vor zwei Monaten haben können: eine »schwarz-rot-pinke« »Zuckerlkoalition«, um die rechtspopulistische FPÖ unter Herbert Kickl mit vereinten Kräften von der Regierung fernzuhalten. Doch dann schmiss Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hin, kurz darauf auch Karl Nehammer, der ÖVP-Obmann und Wahlverlierer. Sein Nachfolger Christian Stocker vollzog eine schwer vermittelbare Kehrtwende und verhandelte doch mit Kickl – vielleicht auch nur zum Schein, wie ihm manche vorwerfen. Nach einer neuerlichen Kehrtwende Stockers hieß es: zurück auf Anfang. Denn Neuwahlen galt es um jeden Preis zu verhindern. Die FPÖ steht in Umfragen blendend da.
Das Regierungsprogramm, das gestern unter dem Motto »Jetzt das Richtige tun« präsentiert wurde, verheißt wenig Gutes. Die SPÖ unter Andreas Babler konnte nur wenig herausholen: keine Reichensteuer, kein nennenswerter Beitrag der Banken, bloß eine Mietpreisdämpfung unter Vorbehalt. Die Migrationspolitik wurde aus den gescheiterten Verhandlungen mit der FPÖ übernommen. »Rückkehrverfahrenszentren« sollen eingerichtet, der Familiennachzug gestoppt, die Anzahl der Asylanträge auf Null gesenkt werden – freilich konform mit europäischem Recht, womit sich all das wohl als undurchführbar erweisen wird. Besonders übel stößt auf, dass Österreich sich ohne Not und trotz angeblich bestehenden Sparzwangs als Nicht-NATO-Mitglied ein Zweiprozentziel bei den Rüstungsausgaben setzt. Das ist die Handschrift der Neos, deren Vorsitzende Meinl-Reisinger unbedingt Außenministerdarstellerin werden möchte und die praktisch alles unterhalb eines faktischen NATO-Beitritts befürworten. Die Kriegstreiber in Brüssel wird’s freuen.
Das Postengeschacher geht einstweilen weiter, wobei nicht nur zwischen den Koalitionspartnern, sondern auch innerhalb der SPÖ mit harten Bandagen gestritten wird; stabil wird diese Koalition nicht sein. Auf jeden Fall aber wird die neue Regierung, was die Anzahl der Minister und Staatssekretäre betrifft, extrem aufgebläht sein. Da mutet es wie Hohn an, dass der Unternehmer Josef Schellhorn (Neos), der als Kritiker einer Regierungsbeteiligung gelockt werden musste, als Operetten-Musk den »Staatssekretär für Deregulierung« geben darf.
Indes halten sich Gerüchte, dass der gescheiterte junge Altkanzler Sebastian Kurz längst sein Comeback plant und im Hintergrund bereits die Fäden zieht. In jüngster Zeit ist Kurz als Parteigänger Donald Trumps aufgetreten – für Kurz ist der US-Präsident ein ermutigendes Beispiel, wie man es auch trotz Verurteilungen und juristischer Probleme schaffen kann. Früher als gedacht könnte es bei vorgezogenen Neuwahlen zu einem Showdown der Rechtspopulisten Kurz und Kickl kommen. An inhaltlichen Differenzen würde deren Zusammenarbeit jedenfalls nicht scheitern.
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