Hoher Besuch aus Brüssel
Von Jörg Tiedjen
Die EU-Kommission steht anscheinend unter einem gewaltigen Druck. Anders kann man ihren jüngsten Besuch mit kompletter Mannschaft in Indien am Donnerstag und Freitag kaum deuten. Immerhin scheint er Erfolg gehabt zu haben: Wie nämlich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der indische Premierminister Narendra Modi zum Abschluss auf einer Pressekonferenz verkündeten, soll ein schon seit langem geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem bevölkerungsreichsten Land der Welt bis Jahresende unter Dach und Fach sein. Die »geopolitischen Umstände« erforderten »entschiedenes Handeln«, kommentierte die CDU-Politikerin laut AFP.
Mit den schlechten Umständen gemeint sind nicht zuletzt die Zölle, die US-Präsident Donald Trump soeben gegen die EU verhängt hat, während er eine entsprechende Maßnahme gegen Indien zunächst aufschob. Allerdings ist gerade der dortige Markt für Importe aus der EU durch hohe Abgaben weitgehend abgeschottet. Dies gelte unter anderem für Autos und Alkohol, sagte AFP zufolge ein hochrangiger EU-Beamter. Bei Kraftfahrzeugen dürften jedoch nicht allein Zölle, sondern auch die Herstellungskosten ein Problem sein. Schon vor zwei Jahrzehnten wollte Volkswagen daher mit dem indischen Konzern Maruti-Suzuki zusammengehen, da dieser auch mit günstigen Kleinwagen größere Gewinne zu erzielen vermag. Beim Alkohol wiederum ist anzumerken, dass dessen Konsum gerade auch im Bundesstaat Gujarat, der Heimat des extrem rechten Hindunationalisten Modi, aus religiösen Gründen verboten ist.
Über neue Absatzmöglichkeiten hinaus hofft die EU auf eine engere Zusammenarbeit im sogenannten Sicherheitsbereich. Vorbild seien Ende vergangenen Jahres geschlossene Vereinbarungen mit Japan und Südkorea, erklärte von der Leyen in Neu-Delhi. Diese sind insbesondere gegen China gerichtet, von dem Brüssel im Schlepptau der USA abrücken möchte – was ähnlich für Indien gilt, das ebenfalls von Einfuhren aus China abhängig ist. Auch eine engere Kooperation im Bereich künstliche Intelligenz ist nach den Worten von der Leyens vom Freitag geplant. Tatsächlich ist die Entwicklung von Software eine indische Stärke. So war zum Beispiel der erste E-Mail-Provider »Hotmail« eine indische Erfindung – und wurde dann vom US-Platzhirsch Microsoft aufgekauft.
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