Gegründet 1947 Dienstag, 4. März 2025, Nr. 53
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 03.03.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Waffenembargo gegen Israel

Nicht nur in Kopenhagen

Protest gegen Waffenlieferungen des dänischen Logistikers Mærsk an Israel ist Teil von internationaler Widerstandsbewegung
Von Pablo Flock, Kopenhagen
3.jpg
Klare Botschaft: Waffenlieferungen an Israel sind Beihilfe zum Völkermord (Kopenhagen, 24.2.2025)

In weiße Maleranzüge gekleidet, die Kufija um den Kopf gebunden, sitzen Hunderte vor den Eingängen eines der größten Logistikunternehmen der Welt und singen: »Mærsk, Mærsk, you can’t hide, you are arming genocide!« (Mærsk, du kannst dich nicht verstecken, du bewaffnest den Genozid!) Einige Aktivisten sind auf das Dach geklettert, lokale Fernsehteams filmen und machen Interviews mit den Protestierenden – darunter die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg.

Am frühen Montag morgen vergangener Woche hatten Aktivisten eine eher dünn besetzte Linie der dänischen Polizei durchbrochen und waren bis vor die Tore des Logistikriesen Mærsk in Kopenhagen gelangt. Vorbereitungen dafür waren kurz zuvor beim Camp »Cut Ties with Genocide« getroffen worden, das unter anderem vom Palestinian Youth Movement (PYM) und der Gruppe Collective Resistance and Care (CRAC) organisiert wurde. Wichtigstes Ziel: den Druck auf das dänische Unternehmen wegen seiner weltweiten Waffentransporte und besonders nach Israel zu erhöhen.

Tatsächlich kündigte Mærsk an, dass in der Zentrale an jenem Tag nicht gearbeitet werde. Versuche, die Sitzblockaden vor dem Eingang oder entlang der Glasfront – die ein paar Graffiti abbekommen hat – zu räumen, bleiben erfolglos. Erst kurz nachdem verschiedene am Protest beteiligte Gruppen entschieden haben, dass man auf den von der Polizei vorgeschlagenen Handel eingeht und eine Demonstration durch Kopenhagen und an der US-Botschaft vorbei macht, greifen die mittlerweile verstärkten Hundertschaften plötzlich hart durch. Die friedlichen Demonstranten werden mit Pfefferspray und unter Knüppeleinsatz zusammengetrieben, es hagelt Dutzende Tränengasgranaten. Jugendliche weinen, Blut fließt. Trotzdem sind die Aktivisten zufrieden. Man hat das wegen seiner gewissenlosen blutigen Geschäftspraktiken – wie der Beihilfe zum Genozid an den Palästinensern – verhasste Unternehmen getroffen und die dänische Öffentlichkeit erreicht. Auch ausländische Medien berichten.

Doch es ist nicht der erste und auch nicht der größte Erfolg der Bewegung gegen den Handel mit Rüstungsgütern. PYM recherchiert regelmäßig zu Waffenlieferungen an Israel und versucht, in Koalition mit anderen Gruppierungen dagegen vorzugehen. Besonders effektiv war der Protest in Spanien. Schon seit Oktober 2023 verkauft das Land keine Waffen mehr an Israel, geschweige denn, dass es welche importiert. Im Mai vergangenen Jahres erklärte die Regierung, keine Schiffe mehr in seinen Häfen anlegen zu lassen, die Waffen nach Israel transportieren. Trotzdem gelangt immer wieder Kriegswerkzeug über spanische Häfen und Flugplätze nach Israel, wie PYM und Verbündete wiederholt nachwiesen. Nach einem Bericht im November, in dem nachgewiesen wurde, dass bis dato trotz des Banns mindestens 944 Schiffe mit ebensolchem Militärequipment in Spanien angelegt hatten, blockierte die Regierung das Anlanden dreier Schiffe von Mærsk.

Als eines dieser Schiffe wenige Tage später im marokkanischen Hafen Tanger Med anlegt, wird es von Hunderten Protestierenden empfangen. Die Demonstranten kritisierten insbesondere, dass sich Marokko im Zusammenhang mit dem Genozidverfahren des Internationalen Gerichtshofs zwar öffentlich der Forderung nach einem Waffenembargo für Israel angeschlossen hatte, aber den Frachter dennoch nicht abwies.

Besonders geübt und erfolgreich verlaufen Aktionen gegen den Handel mit Kriegsgerät auch in Italien. Die Basisgewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) bestreikt schon seit Jahren immer wieder Schiffe, die mit Waffen und Rüstungsgütern nicht nur für Israel, sondern auch für kriegführende Länder wie Saudi-Arabien oder die Türkei beladen sind. Schon 2021 musste ein Schiff des israelischen maritimen Logistikunternehmens ZIM einen alternativen Hafen suchen, nachdem Arbeiter des Hafens von Livorno sich wegen der damaligen Bombardierungen Gazas geweigert hatten, das Schiff zu beladen.

Von verschiedenen Streiks und Aktionen der USB und des Kollektivs autonomer Hafenarbeiter (CALP) im vergangenen Jahr in Genua war die vom 24. Juni wohl die größte. Durch die Kombination eines Streiks mit einer Blockadeaktion mit rund 500 Teilnehmern wurde die Beladung eines Schiffs nach Israel verhindert. Im Dezember gab es dann sogar eine ganz Italien umfassende Blockade. Auch in diesem Februar seien schon zwölf Container mit dem Ziel Israel in italienischen Häfen gestoppt worden, berichtete ein Aktivist von CALP und USB in einem der Workshops des Camps »Cut Ties with Genocide«. Dies sei nur durch die traditionell starke Integration der Antikriegsbewegung mit Gewerkschaften und anderen sozialen Bewegungen möglich.

Hintergrund: Mærsks Gewinne

Der dänische Schiffahrtsgigant Mærsk verschifft nicht umsonst im Auftrag des Pentagons Rüstungslieferungen nach Israel und Teile des F-35-Kampfjets im Auftrag des laut SIPRI weltweit größten Waffenherstellers Lockheed Martin und seiner Zulieferer. An solche Aufträge kommt man nur mit der nötigen Marktmacht, die Mærsk als zweitgrößtes Unternehmen in der maritimen Logistik hat. Mærsk Line, wie der größte Geschäftszweig des Konglomerats A. P. Møller-Mærsk A/S offiziell heißt, kontrolliert rund 15 Prozent des weltweiten maritimen Warentransports und verfügt über 685 Containerschiffe. Das Mutterunternehmen machte 2024 mit über 100.000 Mitarbeitern bei 55,5 Milliarden Dollar Umsatz rund 6,5 Milliarden Dollar Gewinn – den größten Teil davon über Mærsk Line. Es ist der mit Abstand größte Konzern Dänemarks.

Allerdings führt Mærsk nur einen geringen Teil dieses Gewinns als Steuern ab. Eine Aufstellung der International Transport Workers Federation bezifferte diesen für 2021 und 2022 mit 3,7 bzw. 3,0 Prozent des Gewinns. Ein dänischer Arbeiter muss von seinem Einkommen im Vergleich das 13fache an Abgaben abführen. Dem dänischen Staat seien dadurch jährlich rund zehn Milliarden Dollar an Steuern verlorengegangen, im Vergleich zu einem Szenario, bei dem Mærsk den normalen Unternehmenssteuersatz von 22 Prozent zahlen würde. Das ist kein Einzelfall in der Branche. Die größte deutsche Reederei Hapag Lloyd führte in den genannten Jahren nur 0,5 bis 0,7 Prozent ab. Dies liegt an einer EU-Regulation, nach der sich die Unternehmen nach der Tonnage ihrer Fracht statt nach ihrem Profit besteuern lassen können. Das soll die Schiffsregistrierung in der EU fördern – was man tatsächlich davon hat, sieht man allerdings an den Zahlen. (pf)

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

Mehr aus: Schwerpunkt